Die Chaos Queen
Schublade. Dann nahm ich meine Tasche und meine Jacke und flitzte aus meinem Eckchen. Im Überwachungsraum arbeiteten jetzt andere Angestellte. Er war rund um die Uhr besetzt, aufgeteilt in Acht-Stunden-Schichten. Ein Mann namens Ram saß vor einer der Monitorreihen. Zwei weitere Kollegen spazierten herum.
Ich sauste durch den Raum und durch die Tür zur Treppe und stieß mit Ranger zusammen. Wir verloren das Gleichgewicht und purzelten ineinander verkeilt bis zum Treppenabsatz im dritten Stock. Für einen Moment blieben wir reglos liegen, außer Atem und perplex. Ranger lag auf dem Rücken, ich auf ihm.
»Ach, du meine Güte«, sagte ich. »Das tut mir echt leid! Alles klar bei dir?«
»Ja, aber beim nächsten Mal liege ich oben.«
Über uns ging die Tür auf, und Ram schaute hinunter. »Ich habe was gehört … oh, ’tschuldigung«, sagte er. Schnell zog er den Kopf zurück und schloss die Tür.
»Wenn’s bloß so peinlich wäre, wie es aussieht«, meinte Ranger. Er stand auf und zog mich mit hoch. Mit ausgestreckten Armen hielt er mich fest und betrachtete mich. »Wie siehst du denn aus! Geht das auf mein Konto?«
Ich hatte ein paar Kratzer am Arm, meine Jeans war an den Knien aufgerissen, das T-Shirt ruiniert. Ranger sah tadellos aus. Er war wie Big Blue – nichts konnte ihm etwas anhaben.
»Keine Sorge«, sagte ich. »Mir geht’s gut. Ich bin spät dran. Muss los.« Und schon war ich fort, den Rest der Treppe hinunter zur Tiefgarage.
Auf dem Heimweg hielt ich beim Laden von Mike dem Griechen an, um Hotdogs und Bier zu holen. Fünf Minuten später schon stand der Geländewagen sicher verschlossen in Morellis Garage. Ich nahm zwei Stufen der hinteren Veranda auf einmal, öffnete die Hintertür, und Bob schoss an mir vorbei, um mitten auf Morellis Hinterhof zu pinkeln.
Kaum hatte Bob den letzten Tropfen herausgedrückt, verschwand er in der Dunkelheit. Ich raschelte mit der Hotdogtüte, zog ein Hotdog heraus und winkte dem Hund damit. Ich konnte hören, wie er zwei Häuser weiter stehen blieb. Einen Moment lang geschah gar nichts, dann kam er zurückgedonnert. Bob kann einen Hotdog auf eine Meile Entfernung riechen.
Ich lockte ihn ins Haus und schloss ab. Morelli lag noch auf der Couch, sein Fuß auf dem Couchtisch. Das Zimmer um ihn herum war eine Müllhalde: leere Wasserflaschen, Zeitungen, eine zerknüllte Lebensmitteltüte, eine halbleere Chipstüte, eine leere Doughnutpackung, ein Socken (den anderen hatte wahrscheinlich Bob gefressen) plus eine Auswahl von Sport- und Herrenmagazinen.
»Dieses Zimmer ist ein Drecksloch«, sagte ich. »Wo kommt der ganze Kram her?«
»Ich hatte ein paar Jungs zu Besuch.«
Ich verteilte die Hotdogs. Zwei für Morelli, zwei für Bob, zwei für mich. Morelli und ich tranken ein Budweiser. Bob bekam eine Schüssel Wasser. Ich trat den Müll zur Seite, wischte Kartoffelchipskrümel vom Stuhl und setzte mich hin. »Du musst mal sauber machen.«
»Ich kann nicht sauber machen. Ich darf das Bein nicht belasten.«
»Gestern Nacht war es kein Hinderungsgrund.«
»Das war was anderes. Das war ein Notfall. Außerdem habe ich das Bein nicht belastet. Ich lag auf dem Rücken. Was hast du denn da für Kratzer am Arm? Und wieso sind deine Sachen kaputt? Was zum Teufel hast du wieder angestellt? Ich dachte, du würdest im Büro arbeiten.«
»Ich bin die Treppe runtergefallen.«
»Bei RangeMan?«
»Ja. Möchtest du noch ein Bier? Etwas Eis?«
»Ich möchte wissen, wie du es geschafft hast, die Treppe runterzufallen.«
»Ich hatte es eilig, da bin ich irgendwie mit Ranger zusammengestoßen und die Treppe runtergepurzelt.«
Mit seinem unergründlichen Blick sah Morelli mich an. Ich richtete mich darauf ein, dass er sich jeden Moment in einen eifersüchtigen Italiener verwandeln und erregt mit den Armen herumfuchteln würde, aber er schüttelte nur den Kopf und trank einen Schluck von seinem Bier. »Der arme Kerl«, sagte er. »Hoffentlich ist er gut versichert.«
Ich war mir ziemlich sicher, gerade beleidigt worden zu sein, hielt es aber für das Beste, nicht näher darauf einzugehen.
Morelli lehnte sich auf der Couch zurück und grinste mich an. »Und bevor ich es vergesse: Dein Cello steht vorne im Flur.«
»Mein Cello?«
»Ja, jeder große Cellospieler braucht ein Cello, nicht wahr?«
Ich lief in den Flur und glotzte den großen gewölbten schwarzen Koffer an, der dort an der Wand lehnte. Ich schleppte ihn ins Wohnzimmer und machte ihn auf. Darin lag ein Ding,
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