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Die Chaos Queen

Die Chaos Queen

Titel: Die Chaos Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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bist ein richtiger Trostesser«, meinte Grandma. »Hab im Fernsehen eine Sendung darüber gesehen. Wenn deine Mutter Stress hat, fängt sie an zu bügeln und ein Gläschen zu trinken. Wenn du Stress hast, isst du Torte. Du bist tortensüchtig. Du musst zu so einer Selbsthilfegruppe, so was wie die Anonymen Tortoholiker.«
    Meine Mutter schnitt in die Torte und teilte ein Stück für sich ab. »Anonyme Tortoholiker«, wiederholte sie. »Nicht schlecht.« Sie nahm einen großen Bissen von dem Stück und hatte danach Zuckerguss an der Nase.
    »Du hast Zuckerguss an der Nase«, vermeldete Grandma.
    »Gar nicht«, sagte meine Mutter.
    »Oh, doch«, bestätigte Grandma Mazur. »Du bist sternhagelvoll.«
    »Nimm das zurück!«, rief meine Mutter, steckte den Finger in den Zuckerguss auf dem obersten Stockwerk und schnipste einen Klecks auf Grandma Mazur. Er landete auf Grandmas Stirn und rutschte die Nase hinunter. »Jetzt hast du auch Zuckerguss auf der Nase«, sagte meine Mutter.
    Grandma atmete tief durch.
    Meine Mutter schnipste noch einen Klecks in Richtung Grandma.
    »Jetzt reicht’s«, sagte Grandma mit zusammengekniffenen Augen. »Jetzt mach ich dich fertig!« Dann schaufelte sie einen ganzen Klumpen Tortenmasse auf die Hand und drückte sie meiner Mutter ins Gesicht.
    »Ich kann nichts mehr sehen!«, kreischte meine Mutter. »Ich bin blind!« Sie taumelte umher, schlug mit den Armen. Dann verlor sie das Gleichgewicht, kippte gegen den Tisch und fiel in den Kuchen.
    »Mein Gott, ist das jämmerlich«, sagte Grandma. »Ich weiß nicht, wie ich eine Tochter in die Welt setzen konnte, mit der man nicht mal ordentlich streiten kann. Jetzt guckt euch das an: Sie ist in die dreistöckige Hochzeitstorte gefallen! Das wird nichts mehr mit den Resten.« Sie wollte meiner Mutter hochhelfen, doch die klammerte sich an Grandma fest und zog sie zu sich auf den Tisch.
    »Nieder mit dir, alte Hexe!«, rief meine Mutter.
    Grandma quietschte und versuchte, sich zu befreien, bekam aber nichts zu fassen. Sie war glitschig wie ein eingefettetes Schweinchen, der Zuckerguss reichte ihr bis zu den Ellenbogen.
    »Vielleicht hört ihr besser auf, bevor sich noch einer wehtut«, rief ich dazwischen.
    »Vielleicht kümmerst du dich um deinen eigenen Scheibenkleister«, gab Grandma zurück und schmierte meiner Mutter Torte ins Haar.
    »He, Moment mal kurz«, sagte meine Mutter. »Stephanie hat keine Torte bekommen.«
    Beide hielten inne und sahen mich an.
    »Wie viel Torte willst du?«, fragte meine Mutter zum dritten Mal. »So viel?« Und warf eine Handvoll Creme nach mir.
    Ich sprang zur Seite, war aber nicht schnell genug. Die Torte traf mich mitten auf der Brust. Grandma erwischte mich seitlich am Kopf, und ehe ich mich’s versah, hatte sie einen zweiten Treffer gelandet.
    Mein Vater kam aus dem Wohnzimmer. »Was ist denn hier los?«, fragte er.
    Klatsch, klatsch, klatsch.
Jetzt war mein Vater dran.
    »Jesus, Maria und Josef«, sagte er. »Seid ihr vollkommen durchgedreht? Das ist teure Hochzeitstorte. Wisst ihr, was ich dafür bezahlt habe?«
    Meine Mutter warf ein letztes Mal mit dem Kuchen. Sie verfehlte meinen Vater und traf die Wand.
    Ich hatte Tortencreme und Zuckerguss im Haar, an den Händen und Armen, auf dem Shirt, im Gesicht, auf den Jeans. Ich schaute auf die Tortenplatte. Sie war leer. Das Aroma von Zucker, Butter und Vanille schwebte im Zimmer. Ich wischte über die an der Wand herunterrutschende Masse und steckte den Finger in den Mund. Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich die Wand abgeleckt. Meine Mutter hatte recht: Ich war eine Tortoholikerin.
    »Jungejunge«, sagte meine Großmutter zu meiner Mutter.
    »Du bist lustig, wenn du einen intus hast.«
    Meine Mutter sah sich im Zimmer um. »Meinst du, es liegt daran?«
    »Glaubst du, im nüchternen Zustand würdest du das auch bringen?«, fragte Grandma. »Glaube ich nicht. Wenn du nüchtern bist, bist du total steif.«
    »Das reicht«, sagte meine Mutter. »Ich höre auf, mir ein Gläschen zu genehmigen.«
    Ich ertappte mich dabei, wie ich mir Zuckerguss vom Arm leckte. »Vielleicht sollte ich beim Kuchen kürzertreten«, sagte ich. »Ich hab schon das Gefühl, ein bisschen süchtig zu sein.«
    »Wir schließen einen Pakt«, sagte meine Mutter. »Ich pichel nicht mehr, und du isst keinen Kuchen mehr.«
    Erwartungsvoll sahen wir Grandma an.
    »Ich höre mit gar nichts auf«, sagte sie.
    Ich nahm meine Tüte mit den Klopsen und ging nach draußen zum Auto.

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