Die Chaosschwestern legen los - Mueller, D: Chaosschwestern legen los
ich durchs Fenster sehen. Mann, worüber haben die bloß so viel zu reden?
Livi hält immer noch die protzige Kette in der Hand und redet wie blöde auf Tessa ein, und die sieht irgendwie gar nicht mehr so glücklich aus wie eben noch. Was ist denn nun schon wieder los?
Ich springe von der Schaukel und kneife meine Augen zusammen, um besser sehen zu können. Jetzt packt Livi Tessa auch noch an der Schulter und schüttelt sie, während Tessas Augen einen irre ängstlichen Blick haben. Hat Livi ihr gerade gesagt, dass Abhauen polizeilich verboten ist? Was geht da drin bloß vor?
Ich drehe mich nach Kenny und den Spaniern um. Haben die ebenfalls bemerkt, dass Tessa und Livi da drin ganz wild am Debattieren sind?
Nö. Javier und Ramón stehen immer noch lächelnd beide hinter der Schaukel und schubsen Kenny höher und höher.
»JUCHHUUUU!«, jauchzt Kenny. »ICH FLIIIIE-GEEEEE!«
Und – oh Mist verdammter! – das tut sie dann wirklich! In hohem Bogen! Runter von der Schaukel! Warum hat dieses Schaf denn bloß plötzlich die Seile losgelassen?
»Kenny!« Ich renne zu dem kümmerlichen Häufchen auf dem Boden, das meine kleine Schwester ist. »Kenny! Hast du dir was getan?«
»Huhuhuuuuuu!«, heult Kenny. »Huuuuuuu!«
Mann, ein Glück, sie lebt noch!
»Versuch mal, deine Arme und Beine zu bewegen«, sage ich. Denn das sagt Iris auch immer, wenn eine von uns gestürzt ist.
»Huhuuuuu!«, heult Kenny und bewegt überhaupt nichts.
Nun sind auch Javier und Ramón da. »Alles okay?«
Nee, nix ist okay, die sehen doch wohl, dass Kenny heult, oder? Jungs!
Ramón versucht, Kenny vorsichtig aufzuheben. Aber davon wird das Heulen nur lauter. Also lässt er es lieber.
Endlich kommen Tessa und Livi angelaufen. »Kenny! Was ist denn passiert?«
»Schaukel!«, heult Kenny. »Buhuhuuuu!«
Aber dann richtet sie sich plötzlich auf. »Ich war höher als der Baum, Livi!« Sie schnieft kräftig, um besser sprechen zu können. »So hoch war ich noch nie!«
»Toll«, sagt Livi trocken. »Beweg mal deine Arme und Beine.«
Gehorsam reckt und streckt Kenny nun Arme und Beine. Und fängt dabei glatt wieder an zu weinen. »Auuuiiiii!«
Tessa befühlt währenddessen ganz sanft Kennys ganzen Körper.
»Meinst du, wir müssen mit ihr ins Krankenhaus?«, fragt Livi.
Tessa schüttelt den Kopf. »Ich glaube, sie hat nur ein paar blaue Flecke.«
»Buhuuuuu!«, heult Kenny.
»Vielleicht doch lieber mal einen Arrrzt das angucken lassen?«, schlägt Javi zur Sicherheit vor.
»Dauert das lange?«, fragt Kenny und hört plötzlich auf zu heulen und sieht auch sonst nicht mehr allzu verzweifelt aus. »Ich muss nämlich auf jeden Fall heute Nachmittag zu Valeries Geburtstagsparty. Das wisst ihr doch!«
»Ach du je«, macht Livi, »das hatte ich ja total vergessen.« Sie schaut auf ihre Armbanduhr. »Dann sollten wir jetzt schleunigst nach Hause. Rema hat auch bestimmt schon das Mittagessen fertig. Und du...«, sie sieht Kenny an, »...du musst dich auf jeden Fall noch umziehen.«
»Wieso?« Kenny guckt an sich herunter und hat das Weinen inzwischen anscheinend komplett vergessen. Sie steht auf und klopft ein bisschen an sich herum. »Ich sehe total gut aus. Ich gehe so!«
»Und das Geschenk müssen wir auch noch einpacken«, sagt Livi.
Da gibt sich Kenny geschlagen. Und scheint auch ihre blauen Flecke nicht mehr zu spüren.
Wir verabschieden uns von Javier und Ramón. Echt nette Kerle eigentlich. Warum campen die nicht lieber bei uns im Garten? Groß genug ist der doch.
Bevor wir gehen, beugt sich Livi zu Tessa rüber und tuschelt etwas in ihr Ohr. »Und Tessa! Vergiss nicht... bsss … pssss!«
Tessa macht einen entschlossenen Gesichtsausdruck und nickt sehr ernsthaft. Besorgt und beinahe irgendwie erwachsen sieht sie plötzlich aus. »Nein, nein! Ich werde genau aufpassen!«
Aufpassen? Worauf? Ist das schon wieder ein neues Geheimnis? Oh, hätte bloß ich mehr aufgepasst!
Mist, warum bin ich bloß mit Kenny schaukeln gegangen? Ich wette, James Bond hätte gerochen, dass da drinnen viel interessantere Dinge vor sich gegangen sind, und hätte sich das Schaukeln für später aufgehoben und stattdessen unauffällig in einer Ecke vermutlich mit seinen Schuhbändern rumgefummelt und dabei sauber und elegant gelauscht!
Zu dumm, diese Chance habe ich verpasst. Aber dafür werde ich heute Nachmittag sehr, sehr gründlich mit dem Beschatten von Aurora beginnen. Tessa, die nur mit ihren Spaniern rummacht, ist mir viel zu
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