Die Chaosschwestern sind unschlagbar - Mueller, D: Chaosschwestern sind unschlagbar
plötzlich in die entgegengesetzte Richtung.
»Aurora!«, schreit sie und breitet im Laufen ihre Arme aus. »Auroralein! Was machst du denn hier?«
Und – ich glaube es nicht! – da trippelt tatsächlich seelenruhig unsere Henne quer über den Marktplatz. Ich wusste ja, dass sie ab und zu gerne mal einen kleinen Ausflug macht, aber so weit …! Sie muss wohl Langeweile gehabt haben und uns gefolgt sein. Oh, Aurora! Auch das noch!
Ich drehe mich wieder um zu Livi und Gregory und – da bleibt mir fast das Herz stehen! Sie sind weg! Beide! Und die Kerle auch. Wie vom Erdboden verschluckt.
Ich reiße meinen Kopf rum zu der anderen Straßenseite, wo das blaue Auto parkt. Nein, parkte .
OH GOTT! Es ist passiert! Sie haben Livi entführt! Das blaue Auto ist weg! Weg, weg, weg. Und mit ihm meine Schwester und Gregory!
Hiiilfeee! Liviiii!
Livi
Es gibt so Tage …, an denen passiert nichts. (Praktisch mein ganzes Leben lang.) Oder zumindest nur auter bescheuerte Sachen. (An den meisten Schultagen. Zum Beispiel Hausaufgaben in siebzehn Fächern, obwohl man morgens überhaupt nur vier hatte.) An anderen Tagen hat man schon beim Aufwachen so schlechte Laune, dass sowieso schon gar nichts Interessantes mehr passieren könnte. (Früher oft. Zum Glück jetzt immer seltener.) Und dann gibt es Tage, da passiert alles. Einfach, einfach alles. (Heute.)
Sogar der frühe Samstagmorgen fing schon ungewöhnlicher an als sonst. Gregory hat, wie verabredet, pünktlich um zehn nach vier kleine Steinchen an meine Scheibe geschmissen, um mich zu wecken. Aber da war ich natürlich schon längst wach und angezogen und fertig und wartete nur noch auf ihn. Hatte mir ja den Wecker gestellt.
Gregory stand unten im Garten in seiner grässlichen Armyhose und grinste zu mir hoch. Aber auch die Armyhose stört mich an ihm kaum noch. Ich weiß ja, dass Gregory nie vorhat, irgendwelche Armeen zu unterstützen.
Ach, Mann, bin ich froh, endlich eine beste Freundin zu haben! Auch wenn sie einen Jungennamen hat. Gregory ist garantiert die beste Freundin, die man haben kann!
Ich schlich mich aus unserem Haus auf die Straße und knuffte Gregory zur Begrüßung freundlich. »Hey, du bist ja pünktlich!«
»Logo!«, grinste Gregory. »Hast du die Kamera?«
»Logo!«, grinste ich zurück und klopfte auf meine kleine Umhängetasche.
»Gut«, meinte Gregory, »dann los!«
»Und ob!«, sagte ich unternehmungslustig. Denn ich konnte es kaum abwarten, endlich die Lebensbedingungen dieser gemarterten Tiere zu dokumentieren und allen Menschen zu zeigen.
Gregory und ich haben in den letzten Wochen oft frühmorgens auf der Lauer gelegen und rausgefunden, dass die Hühner jeden Tag um halb fünf gefüttert werden. Außerdem werden dann die Tore geöffnet, sodass ein wenig Frischluft in die riesigen Ställe kommt, wo die Hühner zusammengequetscht in Käfigen hocken.
Das ist der einzige Moment des Tages, in dem diese Tore geöffnet sind und man von außen reingucken kann. Leider kann man auch dann nicht viel sehen.
»Wir brauchen eine richtig gute Kamera mit Teleobjektiv, wenn wir Fotos machen wollen«, stellte Gregory fest.
Und die hatten wir uns besorgt. Geliehen von der Foto-AG in unserer Schule. Ziemlich nett sind die Schüler da. Und als wir ihnen erzählt haben, wofür wir die Kamera brauchen, haben sie uns sofort ihr bestes Stück in die Hand gedrückt. Cool.
Und jetzt haben wir die megaschärfsten Bilder! Trotz der nächtlichen Dunkelheit um die Schuppen herum konnten wir mit einer Superkamera wie dieser problemlos ohne Blitz fotografieren, sodass man das erleuchtete Innere der Ställe auf den Bildern bestens sehen kann. Juchhu!
Noch besser: Keiner hat uns bemerkt. Aber am nächsten Freitag wird der Besitzer ohne Zweifel merken, dass wir da waren. Denn dann erscheinen die Fotos in unserer Schülerzeitung.
Die liest nicht nur jeder Schüler unserer Schule, sondern auch jede Mutter und jeder Vater. Also mindestens die halbe Stadt. Wenn das kein Aufsehen erregt, dann weiß ich nicht!
Oh, es fühlt sich sooo gut an, etwas Tolles getan zu haben! Etwas Richtiges! Etwas, das etwas bewirken wird!
Wir waren so eingekuschelt in dieses wunderbar wohlige Gefühl, dass uns nicht mal die Kälte des frühen Morgens etwas ausmachte. Es war etwa sieben, als Gregory und ich zurück durch die Stadt schlenderten. Die Sonne war gerade aufgegangen, die Stadt war noch ganz leer und leise, und ein weiches Licht lag auf allen Häusern.
Ehrlich, auch ohne Fotos
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