Die Chaosschwestern sind unschlagbar - Mueller, D: Chaosschwestern sind unschlagbar
kommen.
Dabei habe ich mir doch extra diese hässliche Mütze aufgesetzt. Damit eben keine Läuse irgendwo hinhüpfen und noch jemand anderen befallen können.
Und dann auch noch Iris!
Musste sie mich ausgerechnet heute mit ihrer Frühlingsputz-Folter quälen? Frühlingsputz! Was soll das überhaupt? Wir haben November!
Hat sie kein Feingefühl? Sehe ich etwa NICHT unglücklich genug aus? Ich habe direkt gespürt, wie sich die Läusefamilien auf meinem Kopf mit jeder Sekunde vermehrt haben. Das soll ja rasend schnell gehen. Und hätte ich die Antiläusemittel schon vor zwei Stunden auf meinen Kopf kippen können, wären es jetzt bestimmt mindestens zweitausend Läuse weniger.
So, nun aber nix wie rauf mit dem Zeug!
Hab ich die Badezimmertür auch abgeschlossen? Ja. Gut. Bei uns kann man nicht vorsichtig genug sein. Muss mich ja nicht jetzt noch zum Gespött der ganzen Familie machen! Jetzt, wo ich die Dinger bald los bin. HOFFNUNG!
Also, mal die Anleitung lesen. Was steht hier? Gleichmäßig aufs trockene Haar aufsprühen und einmassieren!
Hm, gar nicht so einfach, wenn man so lange Haare hat wie ich!
Und dann? 45 Minuten einwirken lassen, danach mit dem Nissenkamm Strähne für Strähne gründlich auskämmen.
Nissenkamm! Das Ding sieht so winzig aus, dass ich garantiert hundert Jahre brauchen werde, bis ich durch alle Strähnen durch bin. Und dabei werde ich mir wahrscheinlich hunderttausend Haare ausgerissen haben. Oh, Himmel!
Und was soll ich in der Einwirkzeit machen? Iiiih, wie das Zeug stinkt! Kann ja wohl schlecht mit dem Läusekram auf dem Kopf im Haus rumlaufen.
Ah, ich weiß, ich rufe Dodo an. Wozu hat man eine Freundin, wenn die einen nicht unterstützt, wenn man es nötig hat? Und ich habe ein wenig moralische Unterstützung dringend nötig. Konnte ihr in der Schule mal gerade eben zuflüstern, was für ein schreckliches Problem ich habe, aber zu mehr war keine Zeit.
»Dodo? Hi, hier ist Tessa! Du glaubst nicht, wie ätzend dieses Läusemittel ist! Ich hab echt fast eine halbe Stunde gebraucht, bis ich meinen Kopf gleichmäßig eingesprüht … – Was sagst du? Du hast keine Zeit? Also …«
Ich finde, das ist nun wirklich nicht nett! Schließlich bin ich IMMER für sie da, wenn sie mich braucht.
»MARVIN hat dir gerade getextet?« Ich erschrecke mich so, dass ich fast vom Klodeckel falle. »Woher hat der denn deine Nummer? – Wie? Die hast du ihm gegeben? JA, BIST
DU DENN TOTAL IRRE!«
Kapiert die denn nie? Wir haben doch nun wirklich gerade vor zwei Tagen lang und breit die ganze Sache durchdiskutiert und sind zu dem total vernünftigen Schluss gekommen, dass Marvin eine echte Schlaftablette ist und Dodo außerdem einen spanischen Freund haben sollte. Deswegen erinnere ich sie auch noch an das nette Blümchen, das Ramón am Samstagabend vorbeigebracht hat. Nun müsste sie doch ein schlechtes Gewissen kriegen.
Kriegt sie aber nicht. Stattdessen kriegt sie einen voll verrückten Wutanfall! Dass ich so verdammt oft nur meine eigenen Interessen verfolge! Und dass ich mich überhaupt nicht um ihre Gefühle kümmere! Und dass ich vielleicht sogar ein totaler Egoist bin und sie sich besser eine andere Freundin suchen sollte!
Ein Egoist? ICH? Ich versuche doch nur, selbstbestimmt zu leben! Da könnte Dodo doch wirklich mitmachen!
Und dann knallt sie den Hörer auf. Also jedenfalls – sinnbildlich gesprochen. Tatsächlich klickt sie natürlich nur ihr Handy zu. Peng – weg. Und ich sitze immer noch auf dem Klodeckel. Mit Läusetinktur im Haar. Und einer Freundin weniger? Uff.
Zehn Minuten lang tue ich mir so leid, wie sich noch kein Mensch auf der Welt leidgetan hat. Was ja wohl verständlich ist, wenn man bedenkt, wie übel mir das Schicksal mitgespielt hat. Und nun ist auch noch meine beste Freundin voll fies zu mir!
Dabei würde ich Dodo so dringend brauchen!
Nicht nur wegen der Läuse. Sondern auch … zum Beispiel wegen … Henry. Also … nicht dass es da was Besonderes zu berichten gäbe. Aber … es wäre schön gewesen, mal einfach so ein bisschen … über Henry zu … zu reden eben. Ja. Mit Javi kann ich das ja wohl nicht.
Aber nix. Meine Freundin zickt. Weil sie findet, dass ich sie nicht unterstütze. Was mache ich denn nun?
Während ich noch fühle, wie der stechende Schmerz, so lieblos behandelt zu werden, meinen Körper durchflutet, drängen meine Gedanken zum Glück schon zu netteren Themen hin. Zu sehr netten Themen. Zu Henry.
Henry ist wirklich … nett.
Ich
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