Die Chaosschwestern sind unschlagbar - Mueller, D: Chaosschwestern sind unschlagbar
aufspringen und ihr nach. »Tessa!« Doch Cornelius hält sie zurück. »Lass ihr ein bisschen Zeit!«
Dann sehen mich genau sechs Augenpaare mehr als fragend an. »WAS hat Tessa denn heute nach der Schule gemacht, Malea?«
Ich fühle mich etwas verwirrt. Oder verstört. Wieso heult Tessa jetzt plötzlich? Muss man heulen, wenn man beim Seitensprung erwischt wird? Warum wird sie nicht wütend?
Hm, wie auch immer. Ich werde zwar Tessa wissen lassen, was ich von ihrem Verhalten halte, aber eine Petze bin ich deswegen noch lange nicht.
»Och nichts«, sage ich.
Und dann stehe ich eilig auf und verdrücke mich. Bevor
mir meine Familie noch mehr Fragen stellt, die ich nicht beantworten will.
Als ich durch den Flur gehe, gucke ich aus dem Fenster.
Nanu? Ist das da vorne Aurora, die bei uns durch den Vorgarten wackelt? Was will sie denn um diese Uhrzeit noch draußen? Sollte sie sich nicht allmählich mal drüben bei Walter Walbohm schlafen legen?
Merkwürdig, dass sie in letzter Zeit so extrem ausgehfreudig ist.
Dann laufen meine Gedanken wieder in andere Richtungen. Schließlich hab ich genug Wichtiges, über das ich nachdenken muss. Ich bin ja noch nicht mal einen Meerwasserspritzer näher ans Retten der ganzen Welt gekommen! Mann, das ist schwerer, als ich dachte! Besonders in unserer Familie!
Und was ist überhaupt aus Livis Kusswette geworden? Tessa hat Livi gar nicht mehr damit aufgezogen. Hat Tessa über ihr Geschmuse mit Henry alles andere total vergessen?
Aurora
Ganz ehrlich, Leute, das Leben ist zu kurz, um verlockende Körner ungepickt auf der Erde liegen zu lassen!
Im Haus mit den vielen Leuten flogen mal wieder die Federn! Manchmal kommt es mir da vor wie in einem zu kleinen Stall. Zu viele Hühner überall!
Heute, mitten im schönsten Gestreite in der Küche, ist auch noch der Mann mit den langen Haaren plötzlich wiedergekommen. (War er im Urlaub? Er sieht aber kein bisschen erholt aus.) Und keine zehn Minuten später schrubbten und putzten alle wie die Karnickel. Also, das ist mir zu doof. Da muss ich wirklich nicht mitflattern. Da flattere ich lieber noch ein bisschen draußen in der Gegend rum. Und bestimmt gibt’s draußen auch noch das eine oder andere interessante Korn zu picken.
Und wenn ich genug gepickt habe, ist da ja noch mein allerliebstes, knallschwarzes Lieblingskorn! Liegt bestimmt wieder auf der Erde rum und döst. Wie kann man den ganzen Tag über bloß so viel sinnlos schnarchen? Muss ihm mal dringend die wichtigen Dinge des Lebens beibringen. Scharren, picken und – was war’s noch? – ach ja, Eier legen.
Nebenan ist leider auch noch keine Ruhe. Mein lieber,
liebster Walter hat Besuch. Und dieser Besuch spricht nicht mal vernünftiges Deutsch.
Nicht dass ich was dagegen hätte, wenn Leute andere Sprachen sprechen. Ganz im Gegenteil. Neue Würmer beleben den Kompost!, sage ich immer. Aber ich bin schon froh, dass ich überhaupt eine einzige Sprache kann. Ich finde, wenn man den Mund voll hat mit Körnern, Regenwürmern oder toten Fliegen, kann man sehr schlecht gleichzeitig sprechen oder denken. Daher bin ich verständlicherweise die meiste Zeit des Tages mit anderen Dingen als mit Sprachen beschäftigt. Im Picken bin ich aber große Klasse!
Jetzt hat die Frau mit dem hektischen Gesichtsausdruck gerade wieder Essen auf den Tisch gestellt. Also, was Menschen so Essen nennen. Es riecht, als hätte man Tante Ethel in Bananen gegart. Was für eine grauenvolle Vorstellung! Menschen müssen ja unfassbar abgehärtete Mägen haben!
Nein, das muss ich mir weder angucken noch in die Nase wehen lassen. Da sammele ich doch lieber noch ein wenig Lebenserfahrung. Das Leben ist ja sooo interessant und die Welt ist sooo groß. Manchmal denke ich, dass sie außerhalb von unserer Stadt sogar noch weitergeht. Was für eine atemberaubende Idee!
Hat der Kerl mit den langen Haaren mich eigentlich vorhin beleidigt, als er sagte, mein Gehirn habe die Größe eines Stecknadelkopfes? Was für eine Frechheit! Tooock!
Ähm …, was ist eigentlich ein Gehirn ?
Egal. Zur Sicherheit habe ich neben den Stuhl von dem Mann mit den langen Haaren vorhin, als keiner hinsah, schnell noch etwas fallen lassen, was kein Ei war. Nö, mich beleidigt keiner! Ich bin doch nicht doof!
Livi
Wenn ich erwachsen bin, werde ich in einem total einsamen Teil der Welt leben. Das Leben in bewohnteren Gegenden – besonders in von meiner Familie bewohnten Gegenden – kann ziemlich anstrengend sein. Zu viele Leute,
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