Die Chaosschwestern sind unschlagbar - Mueller, D: Chaosschwestern sind unschlagbar
getan?
Javi am anderen Ende der Leitung schweigt. Das ist ein schlechtes Zeichen.
»Javi? Kannst du nicht mal kurz rüberkommen?«, bettele ich.
»Ich denke, du willst mich nicht mit deinen Läusen anstecken«, antwortet Javi mit kalter Stimme. »Hattest du vielleicht noch anderrre Grrründe, warrrum ich dich seit Sonntag so wenig zu sehen krrriege?« Jetzt ist seine Stimme beinahe schneidend.
Sie schneidet meinen Bauch in einzelne Teile. Hilfe! Warum geht seit Samstag bloß alles schief!
Ich atme ruckartig ein. »Javi, ich habe wirklich nichts …«
»Wirrr sehen uns morrrgen.«
»JAVI!« Mir stehen die Tränen in den Augen. »Bitte leg
nicht auf!« Zwei Freunde an einem Tag zu verlieren, ertrage ich nicht.
Javier zögert. Auch wenn ich ihn nicht sehen kann, kann ich mir genau vorstellen, wie er aussieht. Er überlegt. Er schwankt.
»Javi, bitte komm doch kurz rüber!«
Er seufzt. »Maldita sea! Verrrdammt! Tiarrra!«
»Ehrlich! Der Kerl hat nur geguckt, ob ich Läuse auf dem Kopf habe!«
»Aberrr ich durrrfte dirrr nicht mal einen Kuss geben!«
»Ich wollte dich doch nicht anstecken!«
Er grummelt irgendwas Spanisches als Antwort.
»Kommst du? Bitte!«
Er grummelt noch was, was allerdings schon deutlich freundlicher klingt.
»Also gut. Está bien, ya vengo! Bin in zehn Minuten bei dirrrr.« Er klickt sein Handy zu.
Ach! Mir fällt ein Stein vom Herzen! Wenn Javi mich im Arm hält, ist alles nur noch halb so schlimm! Das weiß ich.
Trotzdem. Trotzdem muss ich ganz schnell die Sache mit Dodo geradebiegen.
»Dodo? – Hi, hier ist noch mal Tessa. Dodo, nicht auflegen! Ich wollte nur sagen, ich bin ein Idiot!«
Erstauntes Schweigen am anderen Ende der Verbindung.
»Dodo? Bist du noch da?«
»Klar. Nach diesem vielversprechenden Anfang!«
»Äh.« Ist sie gar nicht mehr so sauer? Mir ist ein bisschen der Wind aus den Segeln genommen. Aber ich will lieber nichts riskieren. Also lege ich sicherheitshalber nach. »Ich wollte mich entschuldigen.«
»Ach nee.«
»Ja. Für … na, dafür, dass ich … dass ich dachte, dass es praktischer wäre, wenn du mit Ramón zusammen wärst und nicht mit Schnarchnase Marvin.«
»Mit WEM? Du nennst ihn Schnarchnase ?«
»Äh … nein, natürlich nicht. Ich meine einfach Marvin.« Ich schlucke. Himmel, ist das schwer, sich zu entschuldigen! »Ich … ich wollte nur sagen, dass ich ihn – also Marvin – eigentlich ganz – äh – nett finde.«
»Und deswegen nennst du ihn Schnarchnase?« Dodo klingt schon wieder reichlich feindlich.
Ich seufze angestrengt und will gerade sagen, dass sie doch bitte nicht so empfindlich sein soll, weil das doch echt nur ein Spaß ist. Da dämmert mir, dass es vermutlich klüger ist, was anderes zu sagen.
»Tut mir leid, das ist mir so rausgerutscht«, murmele ich stattdessen. »Das war dämlich von mir. Kommt nicht wieder vor.«
»Hm.« Dodo sagt nichts.
Ich überlege, ob jetzt vielleicht schon der richtige Zeitpunkt ist, um mal locker zu meinen Läusen überzuleiten. Da fällt ihr noch etwas ein.
»Sag mal, Tess, hast DU vielleicht irgendwas damit zu tun, dass Ramón mir Samstagabend die Blume geschenkt hat? Hast du ihn dazu überredet?«
»WAS? Wie kommst du denn darauf?« Also ehrlich! Manche Leute haben nun wirklich eine allzu blumig blühende Fantasie!
»Weil Ramón vorher noch nie Interesse an mir gezeigt hat. Und weil du auf der anderen Seite ein unheimlich großes Interesse daran hast, dass ich mit Ramón …«
Ich unterbreche sie mal lieber zügig, bevor sie sich noch in totalen Schwachsinn reinsteigert. Schließlich war ich
genauso überrascht von Ramóns Blumenauftritt wie sie. »Echt, Dodo! Fang nicht an zu spinnen!«
»So, jetzt spinne ich, ja?«
Hilfe! Heute ist wirklich nicht mein Tag! Ich tue den ganzen Tag nur Gutes, und trotzdem geht alles komplett den Berg runter, kaum dass ich »Hallo« zu jemandem sage.
»TESSAAAA!« Jetzt schreit auch noch Iris von unten.
»Warte mal eben, Dodo! Ich muss kurz die Badezimmertür aufmachen und hören, was Iris will. Ich ruf dich gleich wieder an, ja?«
»Ja-ja. Alles klar.« Dodo klingt eiskalt. Offensichtlich, dass sie mir schon wieder kein Wort glaubt.
»Dodo, da ist wirklich Iris und ich muss …«
Klick. Und weg ist die Verbindung zu meiner besten Freundin. Das zweite Mal heute. Auflegen kommt offenbar in Mode.
Mist, das Entschuldigen hat ja dann wohl nicht so optimal geklappt.
Irgendwie halb im Schock bleibe ich auf dem Klodeckel sitzen und vergesse
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