Die Chaosschwestern sind unschlagbar - Mueller, D: Chaosschwestern sind unschlagbar
lächele. Klar, dass man lächeln muss, wenn man an Henry denkt. Auch wenn man mit Läusetinktur auf Klodeckeln sitzt. Das hat gar nichts mit … mit … mit irgendwas anderem zu tun. Das liegt eben daran, dass Henry so ist, wie er ist.
Ich lächele immer noch. Dann höre ich auf. Weil ein kleiner Pieks in meinem Magen sich wie ein schlechtes Gewissen anfühlt. Ob es Javi traurig machen würde, wenn er wüsste, dass ich lächele, sobald ich an Henry denke?
Oh Javi! Uii, aber da wird mein Magen gleich so wunderbar wohlig warm, dass ich genau fühle, dass ich noch so oft lächelnd an Henry denken könnte! Meinen Javier wird er nie übertrumpfen können! Ach, Javiiiii!
Trotzdem wäre es nett, mit einer Freundin ein bisschen über andere Jungs reden zu können. Ein bisschen kichern zu können. Ein bisschen zu hoffen, dass sie sich auch mit einem freut, dass es so nette Jungs gibt. (Sogar hier bei uns und nicht nur in Spanien.) Aber genau das tut Dodo nicht. Echt, wie fiese ist das bloß!
Ich sollte sie anrufen und ihr genau das sagen. Knallhart. Jawohl. Dass sie mir echt mal ein bisschen zuhören könnte, statt nur ihre eigenen momentanen Interessen zu verfolgen. Ich hätte mich nie so ignorant verhalten. Wenn sie mit mir über irgendjemanden hätte reden wollen, dann hätte ich …
Moment, was hätte ich wohl getan? Oder – ähm – schluck, was habe ich eigentlich getan?
Äh, wollte nicht Dodo schon ein paar Mal in den letzten Tagen genauso mit mir über Schlaftablette Marvin reden? Und – ähm – warum habe ich sie noch gleich abgewürgt? Das hatte bestimmt einen vernünftigen Grund.
Klar, weil Marvin eben so eine Schnarchnase ist. Und weil es viel praktischer wäre, wenn Dodo auch einen spanischen Freund hätte. Also – äh – jedenfalls praktischer für mich.
Hm.
Ich sitze immer noch auf unserem blöden Klodeckel (Immerhin ist er blitzeblank geschrubbt – von mir!) und fühle mich plötzlich ziemlich mies. Sehr mies sogar.
Auf meinem Kopf tanzen die Läuse einen letzten Todeskampf, aber das juckt mich im Moment kaum. Erstaunlich.
Mir ist nämlich gerade klar geworden, dass Dodo womöglich
– ein kleines bisschen – recht hat. Oh, Elend. Bin ich wirklich so eine schlechte Freundin? Bin ich wirklich ein Egoist? Ich meinte das doch nicht böse! Ich wollte doch nur das Beste für mich und unbedingt auch für Dodo!
Ich schätze, ich habe nur ein wenig außer Acht gelassen, dass das Beste für andere nicht immer das ist, was man selbst am besten findet. Also …, wenn Dodo Schnarchnase Marvin attraktiv findet (grunz!), dann sollte ich wohl einmal kräftig schlucken und dann – verdammt noch mal – lächeln. Schließlich ist Dodo meine beste Freundin. Und ich bin ihre. Jedenfalls WILL ich das sein! Und also sollte ich sie unterstützen. Und unterstützen heißt wohl, sie in dem zu unterstützen, was SIE will, und nicht, was ich will. Also, wenn sie Marvin will, dann soll sie ihn auch bekommen dürfen.
Ja. Hm.
Was mach ich denn nun?
Toll, jetzt fühle ich mich noch mieser.
Ich rufe erst mal Javier an und klage ihm mein Leid. Was für ein Glück, dass er gleich nebenan ist!
»Javi? Bist du noch bei Walter?«
»Tessa, mi armorrr! Si, claro, wo soll ich sonst sein?«
Sein Lachen ist so beruhigend. Und lieb. Und warm in meinem Bauch. Ach, da könnte ich hundert Henrys begegnen, keine Gefahr!
Ich sprudele mir alles von meiner Seele. Dass ich so gerne wollte, dass Dodo sich in Ramón verliebt. Und dass Dodo aber eigentlich in Schnarchnase Marvin verknallt ist. Und dass ich erst gemerkt hab, was für ein Egoist ich bin, als ich ihr von Henry, dem Mädchenschwarm aus unserer Schule, erzählen wollte und sie nicht mal mehr Lust hatte zuzuhören. Und …
Dann breche ich ab. Weil Javi, der die ganze Zeit über unheimlich verständnisvoll und lieb wie immer war, plötzlich richtig scharf klingt.
»WERRRR, bitte, ist Henrrry ? Und wieso wolltest du Dodo so drrringend von ihm errrzählen? Was hast du denn mit ihm zu tun?«
Ich schlucke. Huch, warum ist der plötzlich so sauer? Vor Schreck schweige ich.
»Tessa-Tiarrra?«
»Ja?«
»Werrrr ist Henrrry?«
»Ich hab doch gesagt«, antworte ich mit fipsig piepsiger Stimme, »das ist so ein Junge aus unserer Schule, der in der Apotheke arbeitet und den ich auch zufällig beim Babysitten getroffen habe und … ähm … sonst nichts.«
Ich seufze aus tiefstem Herzen. Wieso ging denn das nun schon wieder schief? Ich hab doch überhaupt nichts Böses
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