Die Chaosschwestern sind unschlagbar - Mueller, D: Chaosschwestern sind unschlagbar
das? Spar dir das, bis wirklich was passiert!, dachte ich in Tessas Richtung, weil ich anfing, mir etwas dumm vorzukommen.
Aber dabei fiel mir leider wieder ein, dass tatsächlich etwas passieren musste . Oder ich würde in Tessas Augen ein ewiger Feigling sein. Und wenn man Daniel so zuhörte, konnte das Küssen eigentlich wirklich nicht so schwer sein!
Ob ich ihn einfach jetzt und hier …?
Dann wäre die Sache wenigstens erledigt.
Daniel würde mich zwar für den Rest seines Lebens für mittelschwer durchgeknallt halten. Aber vielleicht – vielleicht waren die Geschichten von den knutschwilden Mädchen ja doch wahr und er hielt es für ausgesprochen normal, dass er ohne große Vorwarnung plötzlich mitten auf dem Schulhof geküsst wurde?
Ich muss Daniel ziemlich merkwürdig angestarrt haben, denn er guckte reichlich blöde zurück.
»Ist was, Livi?« Sofort fing er wieder an, an sich rumzufummeln. »Stimmt was nicht mit mir?«
Und da kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass manche Leute echt dann noch annehmen, dass alles nur mit ihnen selbst zu tun hat, wenn um sie herum aufgrund eines Erdbebens der Stärke zwölf schon alle Häuser einstürzen.
Das sagte ich Daniel aber nicht. Stattdessen sagte ich: »Also, Daniel, ich müsste da noch was mit Gregory dringend besprechen. Wir sehen uns ja nachher in Chemie!«
Gregory ließ ein paar Schnarchgeräusche hören. Also wirklich, Jungs sind sooo unhöflich!
Aber Daniel kapierte den Wink. Er hob seine Tasche vom Boden auf und schlenderte – superlangsam muss man sagen – los. Dabei sah er sich mindestens dreimal pro Schritt nach Tessa um.
»So«, sagte Gregory. »Jetzt!«
»Jetzt – was?«, fragte ich verwirrt.
Gregory lächelte. »Jetzt können wir bei unserer Unterhaltung von eben weitermachen.«
Ich seufzte und schnitt eine Grimasse. »Ach, ist schon gut! Ich werde in der nächsten Pause weiter drüber nachdenken.«
»Aber worüber willst du denn da lange nachdenken!« Gregory ist manchmal erschreckend hartnäckig.
Statt einer Antwort guckte ich ihn nur vernichtend an. »Hahaha! Als ob hier viele Leute wären, die von mir geküsst werden wollten!«
Gregory sah leicht geknickt aus.
Ich lächelte versöhnlich. »Komm schon!«
Und dann fiel mir der andere Grund ein, warum diese dämliche Wette nicht ganz einfach zu gewinnen war. Nicht nur, dass es keine Jungen gab, die »HIER!« schrien, wenn sie mich sahen! Nein, auch die Frage, wie man jemanden küsst, schien mir nicht gerade einfach zu lösen. Ich meine, sicherlich kann man da erschreckend viel falsch machen!
Das musste doch auch Gregory einsehen!
»Und überhaupt«, erinnerte ich ihn, »du hast ja anscheinend auch noch nie jemanden geküsst.«
Gregory lächelte. Auf eine ganz ungewöhnliche und schwer zu beschreibende Art. Aber er lächelte. Und beugte sich plötzlich zu mir rüber.
Und während ich noch – ganz wie Daniel – überlegte, ob vielleicht Marmelade von heute Morgen an meinem Kinn klebte, die Gregory freundlicherweise wegwischen wollte, spürte ich …
… seine Lippen auf meinen.
»Jetzt schon«, sagte Gregory, als er sich wieder aufgerichtet hatte, »jetzt habe ich jemanden geküsst.« Er schaute mich vorsichtig an. »Und du auch.« Und dann grinste er das breiteste Grinsen, das ich je bei ihm gesehen habe. »War gar nicht so übel!«
Ich war zu schockgefroren, um irgendetwas zu sagen.
Im Unterbewusstsein nahm ich allerdings doch Tessas stechenden Blick wahr. Sie hatte ihren Kopf vorgereckt, so als ob sie kaum glauben konnte, was sie da gerade gesehen hatte.
Ich konnte es genauso wenig glauben. Hatte meine beste Freundin mich eben geküsst?
Schockzustände haben durchaus Vorteile. Man vergisst Sachen wie Vor-Peinlichkeit-Sterben oder Vor-Unsicherheit-Zähneklappern-kriegen oder Vor-Schreck-sich-in-die-Hosemachen. Man denkt einfach an gar nichts. Man steht einfach so da und wartet, dass das Leben weitergeht. Wunderbar!
Gregory schien in keinem Schockzustand zu sein.
»Huhu, Tessa! Gesehen?«, rief Gregory und winkte fröhlich zu meiner Schwester rüber. »Livi hat gerade ihre Wette gewonnen! Alles klar? Wir sehen dich dann Samstag auf dem Marktplatz!«
Aus dem linken Augenwinkel nahm ich wahr, dass Tessa stumm nickte. Aus dem rechten Augenwinkel sah ich deutlich, wie Daniel uns aus einiger Entfernung mit offenem Mund anstarrte und gerade über seine eigenen Füße stolperte.
Nicht mal das setzte mich in Bewegung.
Ich genoss einfach still für mich das schöne
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