Die Chorknaben
Löcher in den Wänden stecken. Da haben wir unseren Sackkitzler also, keine Tür, nur die Seitenwände der Toilette um ihn herum, und jeder kann da reingehen und ihn sehen, auch kleine Kinder.«
»Tja …« Baxter zögerte.
»Und um die Sache noch ein bißchen komplizierter zu machen, Jungs. Sagen wir mal, die Beschwerde kommt von einer Frau, die in der Nähe dieses Kaufhauses wohnt, und ihre Kinder benutzen auf dem Heimweg von der Schule immer diese Toilette. Und sie sagt, ihre Kinder hätten von verschiedenen Kerlen eindeutige Angebote bekommen und ob ihre Kleinen denn überhaupt keine Rechte hätten?«
»Tja …« zögerte Baxter weiter.
»Ist doch klar, daß es diese Typen erst richtig geil macht, wenn sie es auf öffentlichen Klos treiben, weil es verboten und Sünde ist und zugleich Spaß macht, und diese ganze Analfixierung und was weiß ich noch alles. Und das ist eben zu Hause im stillen Kämmerlein nicht das gleiche. Sonst würden sie ja auch gar nicht dorthin kommen. Aber darum geht es letztlich nicht, denn ihr könnt dieser Frau ja schlecht sagen, ihre Kinder müßten sich eben damit abfinden, daß ihnen so ein Kerl unzweideutige Anträge macht oder vor ihren Augen im Scheißhaus so 'nem anderen Typen einen runterholt, oder, Harald?«
»Ich würde schon sagen, Scuz.«
»Finden Sie auch, Baxter?«
»Ich denke schon. Scheint so, als müßte es in diesem Fall 'ne andere Lösung geben.«
»So scheint es«, nickte Scuz. »Nur gibt es keine. Zumindest nicht für uns. Wir haben eine Anzeige reinbekommen und müssen etwas unternehmen. Und das heißt, wir müssen auf jeden Fall irgend so einen Kerl einlochen. Dann können wir sagen, wir haben bezüglich ihrer Anzeige was getan, wenn die Frau das nächste Mal wieder anruft und sich beschwert, daß irgend so ein Kerl ihren Sohn betatscht hat. Wißt ihr, Jungs, es gibt eben Millionen und Millionen Probleme auf der Welt, für die es keine Lösung gibt, und wir von der Polizei können uns hauptsächlich mit solchen rumschlagen.«
»Und was machen Sie dann mit diesem Typen, der die Kinder in Frieden läßt und nur seine Nummer mit der Zahnbürste und der Feder bringt?« wollte Sam Niles wissen, der sich immer gelangweilt gab, ob er es nun war oder nicht. »Ich schieße auf ihn«, antwortete Scuz. »Wie bitte?« platzte Harold heraus. »Ja, ich schieße auf ihn. Damit.« Bei diesen Worten zog Scuz aus der Tasche seiner weiten Gabardinehose eine Wasserpistole aus rosa Plastik. »Damit beschieße ich ihn durch das Loch in der Wand, durch das ich ihn beobachte. Erst blickt er nicht durch, und dann kriegt er Schiß, sobald er merkt, woher der Wasserstrahl kommt. Aber ich mache ihm nicht noch mehr Angst, indem ich ihm drohe oder ihn gar festzunehmen versuche. Das würde nur bewirken, daß er um so lieber wieder zurückkommt. Wie ihr wißt, sind ja vor allem Schuld und Bestrafung und dieser ganze Kleinkinderkram schuld daran, daß er so was in der Öffentlichkeit treiben muß. Also bespritze ich ihn nur mit meiner Wasserpistole. Es dauert nicht lange, und er weiß überhaupt nicht mehr, was er von dem Ganzen halten soll; wer oder was hinter dieser Wand ist. Manchmal brüllt er dann so was wie: ›Wer sind Sie? Sind Sie 'n Kaufhausdetektiv oder 'n Bulle? Wer schießt da auf mich?‹«
»Und was sagen Sie dann?« wollte Harold wissen. »Nichts. Ich beschieße ihn nur weiter. Das ist demütigend. Es erniedrigt ihn auf eine Weise, die er nicht ertragen kann. Wißt ihr, er möchte sich zwar vermutlich mit diesem Zeug, das er auf einem öffentlichen Scheißhaus macht, auch herabsetzen, aber die Erniedrigung, die er durch mich erfährt, ist ihm einfach zuviel. Mit meiner Wasserpistole gebe ich ihm nämlich so ungefähr zu verstehen, daß seine kleine Nummer nicht mehr wert ist als ein paar Wassertropfen. Und das kann er nicht ertragen. Ich habe schon Kerle gesehen, die sind in Tränen ausgebrochen und abgehauen, ohne je wieder zurückzukommen. Zumindest nicht in diese Toilette, und das ist letztlich alles, was ich für den Augenblick erreichen kann. Erscheint euch das einigermaßen logisch?«
»Kann schon sein«, erwiderte Baxter Slate, während sich Scuz eine neue Zigarre ansteckte und in den Wilshire Boulevard einbog.
»Wißt ihr, ich möchte mit diesen Kerlen in keine Schlägerei verwickelt werden. Ich möchte denen nichts tun, und vor allem möchte ich nicht, daß die mir oder einem meiner Leute was tun. Deshalb verbringe ich die meiste Zeit eigentlich damit, mir
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