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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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keine einzige Bewegung. Nie in seinem Leben hatte er sich einsamer gefühlt. Er lauschte den gedämpften Stimmen draußen auf dem Flur. Er horchte auf sein Herz und das leise Summen des Tonbandgeräts. Schweißperlen standen auf seiner Oberlippe. Dann hörte er ein leichtes Klopfen an der Tür. Und nun stellte der tapferste und stärkste Chorknabe fest, der Veteran dreier Kriege, der einzige Polizist in Los Angeles, der während seines Diensts bei der Polizei gleichzeitig aktiv Kampfeinsätze geflogen hatte, Inhaber eines Silver Star, zweier Purple Hearts und sechs Air Medals, der keinen Menschen fürchtete, und nicht einmal den Tod von einer anderen Hand als der seinen; nun stellte der tapferste und stärkste und älteste Chorknabe fest, daß er Angst vor dem Leben hatte. Vor dem entsetzlichen Leben, das ihm Chief Lynch beschrieben hatte. Und er hatte sogar entsetzliche Angst vor diesem Leben. Er fühlte sich von seiner Angst übermannt. Seine Kehle schnürte sich zusammen, und seine Kopfhaut kribbelte vor Angst. Das Tonbandgerät war unerträglich. Dieses leise Summen. Seine mächtige rote Pranke glitt fast vom Türgriff, als er die Tür öffnete. Zögernd trat er auf den Korridor hinaus, wo fünf Männer warteten.
    Deputy Chief Lynch sah in Spermwhales kleine Augen. Dann rückte er sein Toupet zurecht, wobei sich hinter den Ohren sein eigenes schütteres Haar hervorkringelte. Mit einem zuversichtlichen Lächeln betrat er den Raum. Spermwhale hielt ihm die Tür auf.
    Bis elf Uhr vormittags an jenem Tag saßen acht Chorknaben in ebenso vielen verschiedenen Büros im fünften Stock des Parker Center. Um vier Uhr nachmittags saß Sergeant Nick Yanov, der die Geschichte inzwischen von Captain Drobeck erfahren hatte, der sie wiederum von Commander Moss hatte, an seinem Telefon und sprach mit Lieutenant Rudy Ortiz, der schon wiederholte Male angeklagte Polizisten vor einem Untersuchungsausschuß verteidigt hatte.
    Nick Yanov tobte ins Telefon, daß dem Verteidiger die Ohren schmerzten. »Diese gottverdammten Idioten haben sich eine Geschichte zurechtgelegt und sich bis auf Whalen auch daran gehalten. Aber Whalen hat alles über sich und die anderen erzählt!«
    »Ach du meine Güte!« entgegnete Lieutenant Ortiz. »Was hätten sie den anderen denn schon anhaben können, als ihnen einen Rüffel zu erteilen, weil sie sich im Park besoffen haben. Sie hätten einfach die Untersuchungsbeamten holen und ihnen gleich an Ort und Stelle den Tatverlauf schildern sollen. Mit Ausnahme dieses Heini, der in Uniform war, wäre doch Niles der einzige gewesen, der wirklich in ernsthafte Schwierigkeiten hätte kommen können.«
    »Ich weiß. Ich weiß. Diese Idioten!« schimpfte Nick Yanov. »Jetzt haben sie sie alle. Sie haben Beweismaterial zurückgehalten, die mit der Untersuchung des Falls betrauten Beamten belogen und sich des Ungehorsams im Dienst schuldig gemacht.«
    »Wenn diese jungen Spritzer nur gefeuert werden, können sie noch von Glück reden«, meinte Lieutenant Ortiz. »Wenn sie Pech haben, werden sie sogar vor Gericht gestellt.«
    »Ich weiß. Können Sie ihnen nicht irgendwie helfen?« flehte Nick Yanov.
    Um fünf Uhr saß Deputy Chief Lynch an seinem Telefon und plauderte gut gelaunt mit Assistant Chief Buster Llewellyn. »Genau, Buster, am liebsten wäre es mir, wir könnten sie feuern. Und am besten auch noch gleich eine Weile hinter Gitter bringen. Allerdings würde das zu viel Aufsehen erregen. Aber zumindest haben wir die Lage nun unter Kontrolle.«
    »Gott sei Dank war das Opfer nur irgend so ein Schwuler. Stellen Sie sich vor, es wäre irgendeine anständige, normale Person gewesen«, gab Assistant Chief Buster Llewellyn zu bedenken, während er an seinem Kaffee nippte und sich zum hundertstenmal hinsichtlich der Herkunft dieses eigenartigen Flecken auf seiner Schreibtischauflage den Kopf zerbrach. »Aber um diese Zeit würde sich doch kein anständiger Mensch im MacArthur Park aufhalten. Nachts treibt sich doch außer Tunten dort kein Mensch herum. Und dann natürlich noch diese Gruppe von Polizisten.«
    »Haben Sie schon mit der Mutter des Opfers gesprochen, Adrian?«
    »Sogar persönlich«, lächelte Chief Lynch. »Sie war ganz schön erschüttert. Aber wissen Sie, sein Vater war, glaube ich, sogar ein bißchen erleichtert.«
    »Was wollte der arme Kerl schließlich schon mehr«, nickte Chief Llewellyn. »Früher oder später wäre ihm sowieso von irgendeinem Schwulen der Bauch aufgeschlitzt worden, wenn er

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