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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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fährst du besser als ich.«
    »Quatsch. Hast du je einen Schwarzen in Indianapolis fahren sehen?«
    »Hast du überhaupt mal einen Buddhaschädel hinterm Steuer eines Wagens gesehen? Jeder Polizist weiß doch, daß die Asiaten noch schlechter Auto fahren als die Schwarzen.«
    »Morgen fährst jedenfalls du.«
    »Ich kann nicht. Ich möchte nicht, daß mich jemand mit Brille sieht. Mit dem Ding sehe ich aus wie ein Iwo-Jima-Scharfschütze, und das möchte ich auf keinen Fall.«
    »Ich hab' dich noch nie mit 'ner Brille gesehen.«
    »Ich trage sie ja auch nur, wenn ich was sehen will.«
    »Jetzt sind wir schon so lange Partner, und du wolltest nie etwas sehen?«
    »Es gibt in diesem Job nichts, was ich gern sehen würde, Calvin. Ich setze meine Brille nur auf, wenn andere Typen sie abnehmen. Ich habe sie nur beim Vögeln auf. Was anderes will ich gar nicht sehen.«
    »Ziehst du sie in der Singstunde auch auf, wenn du Ora Lee Tingle oder Carolina Moon nagelst?«
    »Nein, das ist auch noch was, was ich nicht sehen will.« Und dann wurde Calvin einfach trübsinnig. Das passierte ihm in letzter Zeit immer häufiger, zumal er mehr und mehr trank. Er hatte gewaltsam versucht, nicht mehr an dieses Miststück von Martha Twogood Potts und ihre glatte, karamelfarbene Haut zu denken. Aber die Gedanken an Calvin Jr. der ihn inzwischen vermutlich nicht einmal mehr erkennen würde und auch die Wochenenden nicht mit ihm verbringen wollte, konnte er auf diese Weise nicht verdrängen. Und an sich wollte er den Jungen ja gar nicht in Lottie LaFarbs Wohnung mitnehmen, obwohl sie viel eher ein nettes Fräulein vom Amt war als eine Prostituierte und ihn mit Sex und Geld verwöhnte, soweit es ihr möglich war. Außerdem mochte sie auch Calvin Jr.
    Manchmal hätte er nichts lieber getan, als Lottie LaFarb und Francis Tanaguchi zu Matsch zu prügeln; sie waren die einzigen Menschen auf der ganzen Welt, von denen er glaubte, daß es ihnen nicht egal war, ob er sich diese Smith K-38 in den Mund steckte und die Schädeldecke vom Kopf pustete, daß sie gegen die Deckenverkleidung ihres Schwarzweißen knallte, der im Augenblick nach der Kotze und der Pisse eines Säufers stank, den die Jungs von der Tagschicht kurz vor Schichtwechsel eingebuchtet hatten.
    Calvin Potts' aufwallender Ärger ließ jedoch schnell nach, als über Funk die Stimme ertönte, welche die Chorknaben allgemein zu lieben gelernt hatten: »Sieben-A-Siebenundsiebzig, Sieben-A-Siebenundsiebzig; helfen Sie der Frau, Familienstreit in der Bar Adams/Ecke Cloverdale.«
    »Das geht uns an, Calvin«, bemerkte Francis gutgelaunt und notierte den Funkspruch auf dem am Armaturenbrett befestigten Notizblock.
    »Na, dann bestätige doch endlich, verdammt noch mal«, knurrte Calvin böse.
    »Sieben-A-Siebenundsiebzig, verstanden«, sprach Francis ins Mikrofon und sah dabei seinen Partner an, dessen Kaffeegesicht durch die tiefen Strahlen der Abendsonne wie matt poliert schimmerte. »Weshalb bist du denn so sauer, Calvin?«
    »Ach, nichts. Ich habe es nur einfach satt, in diesem Bezirk zu arbeiten. Wieso können wir nächsten Monat nicht mal für den Norden eingeteilt werden?«
    »Das ginge doch. Ich dachte nur, du hättest gern, daß ab und zu mal richtig was los ist.«
    »Mir reicht es bis hier oben hin, kann ich dir sagen. Mir langen diese miesen Eastsidenigger, die sich hier immer mehr breitmachen. Da ist mir ja noch das Fairfax-Revier lieber.«
    »Na gut. Wir können ja mal mit dem Boß sprechen, ob er uns für nächsten Monat nicht für den Norden einteilen kann. Ich weiß außerdem, was du wieder mal vertragen könntest.«
    »Was?«
    »Na ja, 'ne ordentliche Nummer schieben.«
    »Ach ja, natürlich; genau das hätte mir noch gefehlt.« Für einen Moment verdrehte Calvin seine Augen angewidert nach oben. »Ich weiß, daß Lottie sich ganz gut um dich kümmert, aber ich habe da ganz was Besonderes in dem Haus, in dem ich wohne. Ich wollte dir schon die ganze Zeit davon erzählen.«
    »Du meinst wohl die Drachenlady, was?« sagte Calvin plötzlich, und für einen Augenblick wich seine Niedergeschlagenheit von ihm.
    »Also jetzt hör mal, Calvin; du weißt sehr wohl, daß ich mit dieser Drachenlady ebenso wenig am Hut habe wie alle anderen.« Dabei setzte Francis sein unerforschliches asiatisches Grinsen auf.
    »Na gut, wie sieht sie denn aus?«
    »Noch besser als die Zierliche, Schlanke, die wir auf dieser Party in Hollywood Hills kennengelernt haben.«
    »Na ja, das will ich aber auch

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