Die Chorknaben
zusammengelebt.«
»Was heißt hier schon rechtmäßig, du Luder«, fuhr die kleinere der zwei Frauen dazwischen und trat auf den Tisch der jungen Frau zu. Calvin stellte sich jedoch zwischen die beiden.
»Kann ich mal unter vier Augen mit Ihnen sprechen«, wandte Calvin sich daraufhin an die junge Mulattin, worauf diese zum erstenmal von ihrem Dörrfleisch abließ und dem großen Polizisten in die hinterste Ecke der Bar folgte, wo eine stumme Musikbox stand.
»Was ist denn hier nun eigentlich los?« fragte Calvin, als sie allein waren.
»Wissen Sie, ich war mit diesem alten Mann eben zusammen. Diese zwei Jahre mit mir waren sicher die schönsten seines Lebens. Ich habe mich kaum umgedreht, wollte er schon wieder, daß ich ihm einen runterhole. Ich kann Ihnen sagen, ich hab' schon Blasen im Mund gekriegt von diesem alten Idioten. Ich hätte mich ja sowieso aus dem Staub gemacht, als er gestorben ist, aber dann sind mir diese Leute da vom ersten Tag an dumm gekommen, als der Alte tot war. Na ja, und dann hab' ich mir eben gedacht, kann ich genausogut bleiben und um das kämpfen, was mir zusteht.«
»Weiter nichts?«
»Absolut nichts«, bestätigte die Frau und lächelte Calvin zum erstenmal an. Dabei trat sie näher an ihn heran und streifte mit ihren wippenden Brüsten seinen Brustkorb.
In diesem Augenblick torkelte der Mann am Tresen betrunken auf sie zu. »Glauben Sie diesem Miststück kein Wort. Sie lügt. Das ist alles Blödsinn. Der alte Mann war einfach total verkalkt, und sie hat ihn schamlos ausgenutzt.« Der Mann preßte einen Gegenstand an seine Rippen. Im Dämmerlicht der Bar sah es aus wie ein rostiges Handtuch. Und dann merkte Calvin, daß etwas auf die schäbigen Slipper des Mannes hinuntertropfte und weiter auf den Boden.
»Mensch, Sie bluten ja!«
»Ja«, erwiderte der Mann. »Das stimmt.« Und als wäre es ihm peinlich, nahm er das schmutzige Handtuch weg, so daß aus der Wunde in seiner Brust ein ordentlicher Strahl Blut über seinen Bauch und auf den Boden floß. Mit jedem Atemzug klaffte die Wunde weiter auf, und mehr Blut floß. »Das war dieses Luder.«
»Na gut, du Sauhund!« legte die dralle Erbin los. »Dann werde ich ihnen jetzt zeigen, was du mit mir gemacht hast.«
Noch während sie sprach, zog sie sich unter lasziven Verrenkungen ihr enges Kleid über ihre ausladenden Pobacken hoch und stellte ein blutgetränktes Papiertaschentuch zur Schau, das sie in ihr blaues Höschen gesteckt hatte, um den Blutfluß von einer langen Messerwunde zu stoppen, die sich quer über Hüfte und Bauch zog. Unter dem aufgeschlitzten Fleisch und Fett schimmerte sogar ein Stück Hüftknochen durch.
»Seid ihr eigentlich wahnsinnig geworden?« platzte Calvin heraus, um dann Francis zu sich zu winken und ihm die häßlichen Wunden zu zeigen.
»Du hast gesagt, du würdest nichts sagen, wenn ich auch den Mund halte, du blöder Hund!« schimpfte die Erbin.
»Du siehst doch, daß er mich gefragt hat, blöde Kuh. Was hätte ich denn sagen sollen? Daß ich ein Stück blutiges Fleisch in meinem Handtuch mit mir rumtrage?«
»Also gut, und wer hat also wen verletzt?« schaltete sich Calvin wieder dazwischen. Er war wütend, da sie nun ein Protokoll aufnehmen mußten und vermutlich beide an dem Kampf Beteiligten, verhaften mußten.
»Ich bin in einen Eispickel gefallen«, sagte der Mann. »Und wer hat Sie so zugerichtet?« fragte Francis die Erbin. »Ich bin in ein Schlachtermesser gefallen«, erwiderte sie.
»Sagen Sie«, fing der Mann an, als Francis blinzelnd das Loch in seiner Brust betrachtete und schließlich sogar einen Schritt vortrat, um die Wunde pulsieren und schäumen zu sehen, während der Mann atmete. »Wenn jemand jemanden anderen mit einem Eispickel angreifen würde, und dieser andere würde sich mit einem Metzgermesser verteidigen, würde dann der mit dem Messer ins Gefängnis kommen?« Bevor die Polizisten etwas erwidern konnten, fügte die Mulattin hinzu: »Und wenn dieser verdammte Dreckskerl von einem Säufer derjenige gewesen wäre, der eine Frau mit einem Metzgermesser angegriffen hat, und wenn sie sich mit einem Eispickel verteidigen hätte müssen, wäre diese Frau dann nicht ein Opfer dieses miesen, alten Dreckskerls? Sie würde doch nicht ins Gefängnis kommen, oder?«
»Hat das sonst noch jemand gesehen?« fragte Francis. Aber plötzlich hatten offensichtlich alle wie auf Kommando mächtig Durst bekommen und wandten sich ihrem Bier zu.
»Die Kriminaler würden sie beide
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