Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
geklopft...«, kicherte Tolpan. Bupu sah ihn an.
»Psst!« wiesTanis den Kender zurecht.
Nichts passierte. Bupu klopfte stirnrunzelnd noch zweimal. Wieder wurde zweimal zurückgeklopft. Sie wartete. Caramon, dessen Augen auf die Gasse gerichtet waren, begann unruhig von einem Fuß auf den anderen zu hüpfen. Bupu klopfte wieder zweimal. Die gleiche Antwort.
Schließlich brüllte Bupu: »Ich klopfe Codeklopf. Laßt uns rein!«
»Geheimklopf fünfmal«, antwortete eine gedämpfte Stimme.
»Ich klopfe fünfmal!« behauptete Bupu wütend. »Laßt uns rein!«
»Du hast sechsmal geklopft.«
»Ich habe achtmal gezählt«, warf eine andere Stimme ein.
Bupu donnerte plötzlich mit beiden Händen gegen die Wand. Sie öffnete sich. Bupu spähte hinein. »Ich klopfe viermal. Laßt uns rein!« sagte sie und hob eine geballte Faust.
»Schon gut«, murrte eine Stimme.
Bupu schloß die Tür und klopfte zweimal. Tanis hoffte zutiefst, daß weitere Verspätungen vermieden würden. Er sah
den Kender, der sich vor unterdrücktem Lachen kaum halten konnte.
Die Tür öffnete sich wieder. »Kommt herein«, sagte die Wache säuerlich. »Aber das waren keine vier Mal«, flüsterte er Bupu zu. Sie ignorierte ihn und rauschte verächtlich an ihm vorbei, ihren Sack hinter sich herziehend.
»Wir sehen Großbulp«, verkündete sie.
»Du nimmst dieses Pack zum Großbulp?« Eine der Wachen keuchte und starrte mit aufgerissenen Augen auf den stämmigen Caramon und den hochgewachsenen Flußwind. Sein Gefährte war zurückgewichen.
»Großbulp sehen«, sagte Bupu stolz.
Einer der Wächter, der seine Augen unablässig auf die bedrohlich wirkende Gruppe gerichtet hielt, wich in einen stinkenden schmutzigen Korridor zurück, dann fing er zu rennen an und schrie aus vollem Halse: »Eine Armee! Eine Armee ist eingedrungen!« Sie konnten das Echo seiner Schreie im Korridor hören.
»Pah!« machte Bupu. »Glup-Phunger-Brut! Kommt! Großbulp sehen.«
Sie bog in den Flur ein. Die Gefährten hörten immer noch die Schreie des Gossenzwergs.
»Eine Armee! Eine Armee von Riesen! Rettet den Großbulp!«
Großbulp Phudge I war ein Gossenzwerg unter Gossenzwergen. Er war beinahe intelligent, ein notorischer Feigling und sollte märchenhaft reich sein. Die Bulpe waren seit langer Zeit die Elitesippe in Xak Tsaroth – oder »Th«, wie sie die Stadt nannten –, seitdem Nulp Bulp eines Nachts sturzbetrunken eine Säule hinuntergefallen war und die Stadt entdeckt hatte. Als er am nächsten Morgen nüchtern erwachte, beanspruchte er sie für seine Sippe. Die Bulpe zogen prompt ein und erlaubten den Sippen Slud und Glup Jahre später gnädigerweise, auch in der Stadt zu leben.
Das Leben war gut in der zerstörten Stadt – gemessen an den
Bedürfnissen der Gossenzwerge. Die Außenwelt ließ sie in Ruhe (da die Außenwelt nicht die leiseste Ahnung hatte, daß sie sich dort aufhielten, und wenn doch, dann hätte sich niemand darum gekümmert). Die Bulpe hatten keine Schwierigkeiten, ihre Herrschaft über die anderen Sippen zu behaupten, in erster Linie darum, weil es ein Bulp (Glung) mit einer wissenschaftlichen Ader gewesen war (gewisse eifersüchtige Mitglieder der Slud-Sippe munkelten, daß seine Mutter ein Gnom gewesen wäre), der den Aufzug mit den zwei riesigen Eisentöpfen entwickelt hatte, die von den vorherigen Stadtbewohnern für Schweineschmalz verwendet worden waren. Der Aufzug versetzte die Gossenzwerge in die Lage, ihre Nahrungssuche zum Urwald oberhalb der versunkenen Stadt auszudehnen, und verbesserte somit weitgehend ihre Lebensbedingungen. Glung Bulp wurde ein Held und einstimmig zum Großbulp erklärt. Seitdem war die Herrschaft über die Sippen bei der Bulp-Familie geblieben.
Die Jahre vergingen, und plötzlich zeigte die Außenwelt Interesse an Xak Tsaroth. Die Ankunft des Drachen und der Drakonier stellte einen traurigen Einbruch im Leben der Gossenzwerge dar. Die Drakonier hatten anfänglich geplant, die dreckigen kleinen Störenfriede auszurotten, aber die Gossenzwerge – geführt vom großen Phudge – hatten gekatzbuckelt und sich geduckt und gewinselt und geheult und sich so demütig in den Staub geworfen, daß die Drakonier Gnade walten ließen und sie kurzerhand versklavten.
So kam es, daß die Gossenzwerge – zum ersten Mal seit einigen hundert Jahren ihres Daseins in Xak Tsaroth – zum Arbeiten gezwungen wurden. Die Drakonier setzten Häuser instand, stellten alles unter militärischen Befehl und machten
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