Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
gezeigt hat, dann sorge dafür, daß diese Kleine sicher und glücklich durchs Leben geht.
»Lebwohl, Bupu«, sagte er leise.
Sie starrte ihn mit großen bewundernden Augen an, dann wandte sie sich um und rannte fort, so schnell ihre Füße sie tragen konnten.
»Was war denn los?« fragte Flint, der von der anderen Seite des Lagers angestapft kam. »Oh«, fügte er hinzu, als er Bupu laufen sah. »So bist du also dein Tierchen losgeworden.«
Raistlin antwortete nicht, sondern blickte Flint nur mit einer Bösartigkeit an, die den Zwerg schaudern ließ.
Der Magier hielt das Zauberbuch in seinen Händen und sah es bewundernd an. Er sehnte sich danach, es zu öffnen und in seinen Schätzen zu stöbern, aber er wußte, daß Wochen des Studiums vor ihm lagen, bevor er die neuen Zaubersprüche verstehen würde, geschweige, sie sich anzueignen. Und mit den Zaubersprüchen würde mehr Macht kommen! Er seufzte ekstatisch und drückte das Buch an seine Brust. Dann verstaute er es schnell im Rucksack zu seinem eigenen Zauberbuch. Die anderen würden bald erwachen – sollten sie sich nur wundern, wie er an das Buch gekommen war.
Raistlin stand auf und blickte gen Westen, wo er seine Heimat vermutete und sich der Himmel von der frühen Morgensonne erhellte. Plötzlich versteifte er sich. Dann ließ er seinen Rucksack fallen, rannte durch das Lager und kniete sich neben den Halb-Elf.
»Tanis!« zischte Raistlin. »Wach auf!«
Tanis blinzelte und griff nach dem Dolch. »Was ...«
Raistlin zeigte nachWesten.
Tanis blinzelte wieder und versuchte seine verschlafenen Augen zu öffnen. Die Aussicht von der Bergspitze war herrlich. Er konnte die hohen Bäume sehen, die in die mit Gras bewachsene Ebene übergingen. Und jenseits der Ebene, sich in den Himmel schlängelnd ...
»Nein!« Tanis würgte. Er stieß den Magier an. »Nein, das kann nicht sein!«
»Doch«, flüsterte Raistlin. »Solace brennt.«
Die Nacht - der Drachen
T ika wrang den Putzlappen im Kübel aus und beobachtete teilnahmslos, wie sich das Wasser schwarz färbte. Sie warf den Lappen auf die Theke und wollte gerade den Kübel in die Küche bringen, um frisches Wasser zu holen, aber dann dachte sie: Warum soll ich mir solche Mühe machen? Sie nahm den Lappen und wischte noch einmal die Tische ab. Dann fuhr sie mit ihrer Schürze über die Augen.
Aber Otik hatte sie beobachtet. Er faßte sie bei den Schultern und drehte sie sanft herum. Tika schluchzte auf und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
»Tut mir leid«, schluchzte sie, »aber es wird nicht sauber!« Otik wußte natürlich, daß das nicht der wahre Grund ihres Weinens war, obwohl es der Wahrheit schon sehr nahe kam. Er streichelte ihren Rücken. »Ich weiß, ich weiß, Kind. Wein nicht. Ich verstehe das ja.«
»Es ist dieser verdammte Ruß!« jammerte Tika. »Alles ist völlig schwarz, und jeden Tag schrubbe ich ihn weg, und am nächsten Tag ist er wieder da!«
»Mach dir keine Sorgen,Tika«, versuchte Otik sie zu trösten. »Sei froh, daß das Wirtshaus noch steht...«
»Froh sein!« Tika stieß ihn weg, sie errötete. »Nein! Ich wünschte, sie hätten es verbrannt wie alles andere in Solace, dann würden sie nicht mehr hierherkommen! Ich wünschte, es wäre verbrannt! Ich wünschte, es wäre verbrannt!« Tika schluchzte nun hemmungslos.
»Ich weiß, meine Liebe, ich weiß«, wiederholte Otik und fuhr über die Puffärmel ihrer Bluse, auf die Tika so stolz gewesen war, weil sie sauber und weiß war. Jetzt war sie schmuddelig und verrußt, wie alles in der verwüsteten Stadt.
Der Angriff auf Solace war ohne Warnung erfolgt. Selbst als die ersten bedauernswerten Flüchtlinge grüppchenweise aus dem Norden in der Stadt eintrafen und entsetzliche Geschichten über riesige beflügelte Ungeheuer erzählten, versicherte Hederick, der Oberste Theokrat, den Bürgern von Solace, daß sie sich in Sicherheit befänden und ihre Stadt verschont bliebe. Und die Menschen glaubten ihm, weil sie ihm glauben wollten.
Und dann kam die Nacht der Drachen.
Das Wirtshaus war an jenem Abend gut besucht, einer der wenigen Plätze, wo die Menschen hingehen konnten, ohne an die im nördlichen Himmel tiefhängenden Gewitterwolken erinnert zu werden. Das Feuer brannte hell, das Ale war kräftig, die Würzkartoffeln rochen köstlich. Aber auch hierher schlich sich das Grauen: Alle redeten laut und furchtsam über Krieg.
Hedericks Worte beruhigten ihre ängstlichen Herzen.
»Wir sind doch nicht wie diese
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