Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
»Ich hasse dieses Pack! Ich hasse ihre lüsternen Blicke und ihre kalten, schuppigen Klauen, die mich berühren! Irgendwann werde ich ...«
»Tika, bitte!« bettelte Otik. »Nimm Rücksicht auf mich. Ich bin zu alt, um in den Sklavenminen zu arbeiten! Und du – sie bringen dich morgen weg, wenn du hier nicht arbeitest. Bitte reiß dich zusammen, und sei ein gutes Mädchen!«
Tika biß sich vor Wut und Enttäuschung auf die Lippen. Sie wußte, daß Otik recht hatte. Sie riskierte mehr, als zu den Sklavenkarawanen geschickt zu werden, die fast täglich durch die Stadt zogen – ein zorniger Drakonier tötete schnell und gnadenlos. Gerade als sie darüber nachdachte, wurde die Tür aufgeschlagen,
und sechs Drakonierwachen stolzierten herein. Einer von ihnen riß das Schild GESCHLOSSEN von der Tür und warf es in eine Ecke.
»Es ist geöffnet«, sagte die Kreatur und ließ sich in einen Stuhl fallen.
»Ja, natürlich.« Otik grinste schwach. »Tika ...«
»Ich gehe schon«, sagte Tika resigniert.
Der Fremde - Gefangen
A n diesem Abend war das Wirtshaus nicht gut besucht. Die Stammgäste waren jetzt Drakonier, nur gelegentlich kehrten auch Bürger von Solace ein. Normalerweise blieben sie nicht lange, empfanden die Gesellschaft als unangenehm, deren Anblick die schrecklichen Erinnerungen wieder heraufbeschwor.
Eine Gruppe von Hobgoblins, mit wachsamen Blicken auf die Drakonier, und drei einfach gekleidete Menschen aus dem Norden saßen im Schankraum. Ursprünglich stolz, in Lord Verminaards Diensten zu stehen, kämpften sie jetzt nur noch aus
reiner Lust am Töten und Plündern. Einige Ortsansässige hatten sich in einer Ecke verkrochen. Hederick, der Theokrat, saß nicht an seinem Stammplatz. Lord Verminaard hatte die Dienste des Obersten Theokraten belohnt, indem er ihn als ersten in die Sklavenminen geschickt hatte.
Vor Einbruch der Dämmerung betrat ein Fremder das Wirtshaus und setzte sich an einen Tisch in einer dunklen Ecke nahe der Tür. Tika konnte nicht viel über ihn sagen – er war in einen Mantel gehüllt und trug eine weit ins Gesicht gezogene Kapuze. Er schien müde und erschöpft zu sein und sank in den Stuhl, als würden seine Beine ihn nicht länger tragen.
»Was möchtet Ihr trinken?« fragte Tika.
Der Mann senkte den Kopf und zog mit einer schlanken Hand die Kapuze an einer Seite etwas tiefer. »Nichts, danke«, sagte er mit einer weichen, akzentuierten Stimme. »Ist es erlaubt, hier zu sitzen und sich auszuruhen? Ich soll hier jemanden treffen.«
»Wie wäre es mit einem Glas Bier, während Ihr wartet?« Tika lächelte.
Der Mann sah hoch, und seine braunen Augen blitzten aus der Kapuze hervor. »Sehr schön«, sagte der Fremde. »Ich habe Durst. Bring mir ein Bier.«
Tika steuerte auf die Theke zu. Als sie das Bier zapfte, hörte sie weitere Gäste das Lokal betreten.
»Ich komme gleich«, rief sie. »Setzt euch irgendwo hin. Ich komme so schnell wie möglich!« Sie blickte über die Schulter zu den Neuankömmlingen und ließ fast den Krug fallen. Tika keuchte, dann riß sie sich zusammen. Laß dir nichts anmerken!
»Setzt euch, Fremde«, sagte sie laut.
Einer von ihnen, ein großer Bursche, wollte gerade etwas sagen. Tika sah ihn düster an und schüttelte den Kopf. Ihre Augen bewegten sich zu den Drakoniern, die mitten im Raum saßen. Ein bärtiger Mann führte die Gruppe an den Drakoniern vorbei, die die Fremden neugierig musterten.
Es waren vier Männer und eine Frau, ein Zwerg und ein Kender. Die Gewänder und Stiefel der Männer waren schlammbedeckt.
Einer war ungewöhnlich groß, ein anderer ungewöhnlich breit. Die Frau trug Felle und hatte sich bei dem großen Mann eingehakt. Alle schienen niedergeschlagen und müde zu sein. Einer der Männer hustete und stützte sich schwer auf einen seltsam aussehenden Stab. Sie durchquerten den Raum und setzten sich an einen Tisch am äußersten Ende.
»Noch mehr Flüchtlingsabschaum«, höhnte einer der Drakonier. »Aber sie sehen gesund aus, und Zwerge sollen ja gute Arbeiter sein ... Ich frage mich, warum sie noch nicht in den Minen sind.«
»Das werden sie schon, sobald der Truppführer sie gesehen hat.«
»Vielleicht sollten wir jetzt gleich diese Angelegenheit regeln«, sagte ein dritter und blickte finster zu den acht Fremden hinüber.
»Na, ich bin jetzt nicht im Dienst. Sie werden sowieso nicht weit kommen.«
Die anderen lachten und wandten sich wieder ihren Getränken zu.
Tika brachte dem braunäugigen Fremden
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