Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
nur die anderen Probleme des Halb-Elfs. Raistlin, seiner Medizin beraubt, hustete so lange, bis er sich in einem fast so schlimmen Zustand wie Theros befand; und Goldmond hatte zwei Patienten zu versorgen. Glücklicherweise half Tika der Barbarin.
Tika, deren Vater auch Magier gewesen war, flößte jeder, der mit Magie umgehen konnte, Ehrfurcht ein.
In der Tat war es Tikas Vater gewesen, der unabsichtlich Raistlin seine Berufung gewiesen hatte. Raistlins Vater hatte die Zwillinge und seine Stieftochter Kitiara zum örtlichen Sommerfest mitgenommen, wo die Kinder den hübschen Waylan bei der Vorführung seiner Illusionen beobachteten. Der achtjährige Caramon langweilte sich bald und war schnell bereit, seine Halbschwester zu der Vorführung zu begleiten, die sie anzog – das Schwertspiel. Raistlin, schon damals mager und zerbrechlich, hatte für diese aktiven Sportarten nichts übrig. Er verbrachte den ganzen Tag damit,Waylan dem Illusionisten zuzusehen. Als die Familie am Abend nach Hause zurückkehrte, erstaunte Raistlin sie damit, daß er in der Lage war, jeden Trick einwandfrei nachzuahmen. An einem der folgenden Tage gab der Vater den Jungen in die Lehre bei einem der großen Meister der magischen Künste.
Tika hatte Raistlin schon immer bewundert, und sie war von den Geschichten, die sie über seine geheimnisvolle Reise zu den legendären Türmen der Erzmagier gehört hatte, beeindruckt gewesen. Nun pflegte sie den Magier aus Respekt und ihrem angeborenen Bedürfnis, den Schwächeren zu helfen. Sie pflegte ihn auch (das gab sie sich insgeheim zu), weil dies ihr ein dankbares und anerkennendes Lächeln von Raistlins gutaussehendem Zwillingsbruder einbrachte.
Tanis war sich nicht sicher, worüber er sich mehr Sorgen machen sollte – über den sich verschlechternden Zustand des Magiers oder über die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen dem älteren, erfahrenen Krieger und dem jungen und – wie Tanis trotz der Gerüchte glaubte – unerfahrenen, verletzbaren Mädchen.
Dann gab es noch ein weiteres Problem. Sturm, durch die Gefangennahme gedemütigt und durch das Land gezogen wie ein Tier zum Schlachter, fiel in eine tiefe Depression, von der Tanis glaubte, daß er niemals aus ihr herauskommen würde. Entweder saß Sturm den ganzen Tag herum und starrte durch die Stangen nach draußen, oder, was noch schlimmer war, er sank in Perioden tiefen Schlafs, aus denen er nur schwer geweckt werden konnte.
Schließlich hatte Tanis mit seinem eigenen inneren Aufruhr zu kämpfen, der sich körperlich durch den in der Ecke des Käfigs sitzenden Elfen manifestierte. Jedesmal, wenn er Gilthanas ansah, wurde Tanis von Erinnerungen an seine Heimat Qualinesti verfolgt.Als sie sich seiner Heimat näherten, waren die Erinnerungen, die er tot und vergessen wähnte, in seinen Geist geschlichen. Ihre Berührung war genauso eisig wie die Berührung der Untoten im Düsterwald.
Gilthanas, Freund aus der Kindheit – mehr als ein Freund, ein Bruder. Aufgewachsen im selben Haus und fast gleichaltrig, spielten, kämpften und vergnügten sich die beiden gemeinsam. Als Gilthanas’ kleine Schwester alt genug wurde, erlaubten die Jungen dem anziehenden blonden Mädchen, mit ihnen zu spielen. Eines der Lieblingsspiele der drei war es, den älteren Bruder Porthios zu necken. Porthios war ein starker und ernsthafter junger Mann, der im frühen Alter die Verantwortung über sein Volk übernahm. Gilthanas, Laurana und Porthios waren die Kinder der Stimme der Sonnen, des Herrschers der Elfen in Qualinesti, eine Position, die Porthios nach dem Tod seines Vaters einnehmen würde.
Einige im Elfenkönigreich fanden es merkwürdig, daß die Stimme der Sonnen den Bastardsohn der Gattin seines toten
Bruders aufgenommen hatte, das Produkt der Vergewaltigung durch einen menschlichen Krieger. Sie war nur Monate nach der Geburt ihres Mischlingskindes an Kummer gestorben.Aber die Stimme der Sonnen, feste Ansichten über Verantwortlichkeit hegend, nahm den Jungen ohne zu zögern auf. Erst viele Jahre später, als er mit wachsendem Unbehagen die sich entwickelnde Beziehung zwischen seiner geliebten Tochter und dem Halb-Elf beobachtete, begann er seinen Entschluß zu bedauern. Die Situation verwirrte auch Tanis. Da er zur Hälfte Mensch war, erwarb der junge Mann eine Reife, die das sich langsamer entwickelnde Elfenmädchen nicht verstand. Tanis sah, daß ihre Vereinigung die Familie, die er liebte, ins Unglück stürzen würde. Zudem war er
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