Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
haben.«
Dann ergriff Flint das Wort. »Wir könnten doch am Tor läuten und Lord Verminaard bitten, dich hineinzulassen, Sturm Feuerklinge. Ich bin sicher, er wird es liebend gern tun.« Der Zwerg stapfte auf dem Pfad weiter.
»Zumindest«, sagte Tanis leise zu Sturm, »würde das vielleicht unseren Verfolger abschütteln.«
»Wer oder was auch immer er ist«, antwortete Sturm, »er scheint sich auszukennen, möchte ich sagen. Immer wenn ich versuche herauszufinden, wer uns da eigentlich folgt, und mich etwas zurückfallen lasse, verschwindet er. Ich dachte daran, ihm eine Falle zu stellen, fand aber bisher keine Zeit dazu.«
Die Gruppe hatte den Fuß eines riesigen Granitfelsens erreicht und trat dankbar aus dem Gestrüpp hervor. Gilthanas ging einige hundert Meter an der Felswand entlang und tastete sie suchend ab. Plötzlich hielt er inne.
»Wir sind da«, flüsterte er. Er griff in seine Tunika und holte
einen kleinen Edelstein hervor, der in einem sanften, gedämpften Gelb glühte. Er fuhr noch einmal mit der Hand über die Gesteinswand und fand schließlich, was er gesucht hatte – eine kleine Nische im Granit. Er legte den Edelstein in die Nische und begann, uralte Worte zu murmeln und in der nächtlichen Luft mit der Hand Zeichen zu ziehen.
»Höchst eindrucksvoll«, flüsterte Fizban. »Ich wußte gar nicht, daß er einer von uns ist«, sagte er zu Raistlin.
»Ein Dilettant, weiter nichts«, erwiderte der Magier. Trotzdem stützte er sich erschöpft auf seinen Stab und beobachtete Gilthanas aufmerksam.
Plötzlich und lautlos bewegte sich ein riesiger Steinblock aus der Felswand zur Seite. Die Gefährten wichen zurück, als ein kühler, feuchter Luftzug aus der Öffnung strömte.
»Was ist dort?« fragte Caramon argwöhnisch.
»Ich weiß nicht, was sich dort jetzt befindet«, antwortete Gilthanas. »Ich habe es noch nie betreten. Ich kenne diesen Ort nur aus den Legenden meines Volkes.«
»Na gut«, knurrte Caramon. »Was war das denn früher?«
Gilthanas machte eine Pause, dann antwortete er. »Dies war die Grabkammer von Kith-Kanan.«
»Schon wieder Gespenster«, murrte Flint und spähte in die Dunkelheit. »Schickt den Magier zuerst hinein, damit er sie warnen kann, daß wir kommen.«
»Werft den Zwerg hinein«, parierte Raistlin. »Sie sind es gewöhnt, in dunklen feuchten Höhlen zu hausen.«
»Du meinst die Bergzwerge«, sagte Flint mit gesträubtem Bart. »Es ist schon viele Jahre her, daß die Hügelzwerge unter der Erde im Königreich von Thorbardin gelebt haben.«
»Nur weil ihr hinausgeschmissen wurdet!« zischte Raistlin.
»Hört beide auf!« sagte Tanis wütend. »Raistlin, was spürst du bei diesem Ort?«
»Böses.Viel Böses«, entgegnete der Magier.
»Aber ich spüre auch viel Gutes«, sagte Fizban unerwartet. »Die Elfen sind in diesen Gemäuern nicht in Vergessenheit geraten, auch wenn heute das Böse an ihrer Statt regiert.«
»Das ist verrückt!« schrie Eben. Der Lärm echote unheimlich von den Steinen, und die anderen fuhren erschreckt herum, starrten ihn beunruhigt an. »Tut mir leid«, sagte er und sprach leiser. »Aber ich kann nicht glauben, daß ihr da hineingehen wollt! Man braucht keinen Magier, der einem sagt, daß in diesem Loch das Böse weilt. Ich kann es spüren! Laßt uns zurück zur Vorderseite gehen«, drängte er. »Sicher, da werden ein oder zwei Wachen sein – aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was hier in dieser Dunkelheit lauert!«
»Er hat den Punkt getroffen, Tanis«, sagte Caramon. »Du kannst nicht gegen die Toten kämpfen. Das haben wir im Düsterwald erfahren.«
»Dies ist der einzige Weg!« sagte Gilthanas wütend. »Wenn ihr solche Feiglinge seid ...«
»Zwischen Vorsicht und Feigheit besteht ein Unterschied, Gilthanas«, sagte Tanis ruhig und gelassen. Der Halb-Elf dachte einen Moment nach. »Wir könnten die Wachen am Vordertor überwältigen, aber vorher werden sie die anderen warnen. Ich denke, wir gehen erst einmal hier hinein und sehen uns diesen Weg näher an. Flint, du führst. Raistlin, wir brauchen dein Licht.«
»Shirak«, befahl der Magier leise, und der Kristall glomm auf. Er und Flint tauchten in die Höhle, dicht gefolgt von den anderen. Der Tunnel, in den sie traten, war offensichtlich uralt, aber es war unmöglich zu sagen, ob er natürlichen oder künstlichen Ursprungs war.
»Was ist mit unserem Verfolger?« fragte Sturm leise. »Sollen wir den Eingang offen lassen?«
Tanis wandte sich an Gilthanas.
Weitere Kostenlose Bücher