Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
gedrückt, fast als ob er versuchen wollte, den zerbrechlichen Körper seines Bruders zusammenzuhalten. Raistlin erholte sich, wischte mit seiner Hand über den Mund.Tanis sah, daß seine Finger von Blut dunkel gefärbt waren. Raistlin holte tief Luft, dann sprach er.
»Die eine Konstellation ist bekannt als die Königin der Finsternis und die andere als der tapfere Krieger. Beide sind jetzt verschwunden. Sie ist nach Krynn gekommen, Tanis, und er auch, um sie zu bekämpfen.All die schrecklichen Gerüchte, die wir gehört haben, haben sich bewahrheitet. Krieg, Tod, Zerstörung ...« Seine Stimme erstarb in einem weiteren Hustenanfall.
Caramon hielt ihn fest. »Raist«, sagte er besänftigend. »Laß dich nicht so aufwühlen. Es ist nur ein Sternenhaufen.«
»Nur ein Sternenhaufen«, wiederholte Tanis ausdruckslos. Sturm nahm das Rudern wieder auf und steuerte schnell auf das gegenüberliegende Ufer zu.
Nachts in einer Höhle - Meinungsverschiedenheiten - Tanis entscheidet
E in eisiger Wind blies über den See. Sturmwolken rollten aus dem Norden und radierten die klaffenden schwarzen Löcher im Himmel aus. Die Gefährten kauerten sich im Boot zusammen und zogen ihre Umhänge dichter an sich, als der Regen niederprasselte. Caramon half Sturm beim Rudern. Der Kämpfer versuchte, mit dem Ritter zu sprechen, aber Sturm ignorierte ihn. In grimmigem Schweigen ruderte er weiter und murmelte nur gelegentlich etwas auf solamnisch.
»Sturm! Dort – zwischen den großen Steinen auf der linken Seite!« rief Tanis aus.
Sturm und Caramon ruderten angestrengt. Bei dem Regen war es schwierig, die Grenzsteine auszumachen, und einen Moment lang schien es, als hätten sie in der Dunkelheit die Orientierung verloren. Dann tauchten die Steine schemenhaft vor ihnen auf. Sturm und Caramon manövrierten das Boot ans Ufer. Tanis sprang hinaus und zog es auf den Strand. Sintflutartige Regenfälle prasselten nieder. Die Gefährten kletterten naß und frierend aus dem Boot. Sie mußten den Zwerg herausziehen – Flint war vor Angst steif wie ein toter Goblin. Flußwind und Caramon versteckten das Boot im dichten Ufergebüsch. Tanis führte die anderen einen steinigen Pfad hinauf zu einer schmalen Öffnung in der Felswand.
Goldmond sah unschlüssig auf die Öffnung. Sie schien nicht mehr zu sein als ein riesiger Spalt. Im Innern jedoch war die Höhle groß genug, so daß sich alle bequem ausstrecken konnten.
»Nettes Heim«, Tolpan sah sich um. »Nicht viele Möbel hier.«
Tolpan lächelte den Halb-Elf an. Es war gut, den alten Tanis zu sehen. Er hatte seinen Freund als ungewöhnlich launisch und unschlüssig erlebt, nicht als den starken Führer, an den er sich aus alten Tagen erinnerte. Jedoch nun, da sie wieder unterwegs waren, war der Glanz in die Augen des Halb-Elfen zurückgekehrt. Er hatte seine brütende Schale verlassen und wieder die Führung übernommen, war wieder in seine gewohnte Rolle geschlüpft. Er brauchte dieses Abenteuer, um sich von seinen Problemen abzulenken – was immer das für welche waren. Der Kender, der niemals Tanis’ inneren Aufruhr verstanden hatte, war über dieses zufällige Abenteuer glücklich.
Caramon trug seinen Bruder aus dem Boot und legte ihn so sanft wie möglich auf den weichen, warmen Sand, der den Boden der Höhle bedeckte, während Flußwind ein Feuer machte. Dann verdeckte der Barbar den Höhleneingang mit Gestrüpp, um den Schein des Feuers zu verbergen und den Regen fernzuhalten.
Er fügt sich gut ein, dachte Tanis, als er den Barbar bei seiner
Arbeit beobachtete. Er könnte fast einer von uns sein. Seufzend wandte der Halb-Elf seine Aufmerksamkeit Raistlin zu. Besorgt betrachtete er den jungen Magier. Raistlins blasses Gesicht, in dem sich das flackernde Feuer spiegelte, erinnerte den Halb-Elfen an die Zeit, als er, Flint und Caramon Raistlin gerade noch von einem bösartigen Mob befreien konnten, der den Magier auf einem Scheiterhaufen verbrennen wollte. Raistlin hatte versucht, einen Kleriker-Pfuscher zu entlarven, der die Dorfbewohner um ihr Geld betrog. Doch statt sich auf den Kleriker zu stürzen, hatten sich die Dorfbewohner auf Raistlin gestürzt. So wie Tanis zu Flint gesagt hatte – die Leute wollten an irgend etwas glauben.
Caramon kümmerte sich um seinen Bruder, legte seinen dicken Umhang um seine Schultern. Raistlins Körper wurde von Hustenanfällen geschüttelt, und Blut tröpfelte aus seinem Mund. Seine Augen glänzten fiebrig. Goldmond kniete neben ihm
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