Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
und runzelte die Stirn. Er schnüffelte daran und verzog die Nase.Triumphierend blickte er zu Tanis. »Es ist Haar von der Mähne eines Greifs.«
Caramon brach in ein schallendes Gelächter aus. »Greif!« schnaubte er verächtlich. »Es gibt genauso viele Greife auf Krynn wie ...«
»Drachen«, ergänzte Raistlin sanft.
Die Unterhaltung erstarb abrupt.
Sturm räusperte sich. »Wir sollten lieber schlafen«, sagte er. »Ich übernehme die erste Wache.«
»Heute nacht braucht niemand Wache zu halten«, sagte Goldmond leise. Sie saß dicht neben Flußwind. Der große Barbar hatte seit seinem Zusammenstoß mit dem Tod wenig gesprochen. Er hatte lange Zeit die Statue von Mishakal angestarrt und auch die Frau in dem blauen Licht erkannt, die ihm den Stab überreicht hatte, aber er hatte auf keine Frage geantwortet.
»Wir sind hier sicher«, bekräftigte Goldmond und sah zur Statue.
Caramon zog seine Augenbrauen hoch. Sturm runzelte die Stirn und strich über seinen Bart. Beide Männer waren zu höflich, um Goldmonds Glauben in Frage zu stellen, aber Tanis wußte, daß sich beide Kämpfer nicht sicher fühlen würden, solange keineWachen ernannt waren. Es blieben nicht mehr viele Stunden bis zum Tagesanbruch, und sie alle brauchten Ruhe. Raistlin war bereits eingeschlafen.
»Ich denke, Goldmond hat recht«, meinte Tolpan. »Laßt uns diesen alten Göttern vertrauen, da wir sie anscheinend gefunden haben.«
»Die Elfen haben sie niemals verloren, und die Zwerge auch nicht«, protestierte Flint. »Ich verstehe das alles überhaupt nicht. Reorx ist auch einer der alten Götter. Wir haben ihn vor der Umwälzung verehrt.«
»Verehrt?« fragte Tanis. »Oder verzweifelt zu ihnen geschrien, als dein Volk im Königreich unter dem Gebirge eingeschlossen wurde. Nein, werde jetzt nicht wütend ...« Tanis sah das Gesicht des Zwergen rot anlaufen und streckte ihm seine Hand hin. »Die Elfen sind nicht besser.Wir schrien zu den Göttern, als unsere Heimat verwüstet wurde. Wir kennen die Götter und verehren sie, wie man Tote ehrt. Die Elfenkleriker sind vor langer Zeit verschwunden, so wie auch die Zwergenkleriker. Ich erinnere mich an Mishakal, die Göttin der Heilkunst. Ich erinnere mich, Geschichten über sie gehört zu haben, als ich jung war. Ich erinnere mich auch an Drachenlegenden – Kindergeschichten, würde Raistlin sagen. Anscheinend ist unsere Kindheit zurückgekehrt, um uns zu verfolgen – oder uns zu retten, ich weiß nicht ... Ich habe heute abend zweiWunder erlebt, ein böses und ein gutes. Ich muß an beide glauben, wenn ich meinen Sinnen trauen soll. Dennoch...« Der Halb-Elf seufzte. »Ich meine, wir sollten abwechselnd Wache halten.Tut mir leid, Goldmond. Ich wünschte, mein Glaube wäre so stark wie deiner.«
Sturm übernahm die erste Wache. Der Ritter ging durch den vom Mondschein beleuchteten Tempel, überprüfte die Räume mehr aus Gewohnheit, als daß er sich bedroht fühlte. Er konnte den Wind draußen kalt und stürmisch wehen hören.Aber innen war es seltsam warm und behaglich – zu behaglich.
Er nahm zu Füßen der Statue Platz. Sturm fühlte sich von einer süßen Friedlichkeit übermannt. Erstaunt setzte er sich auf und stellte ärgerlich fest, daß er beinahe während der Wache eingeschlafen wäre. Das war nicht zu entschuldigen! Er schalt sich selbst und beschloß, die folgenden zwei Stunden seiner Wache zu laufen – zur Strafe. Gerade wollte er sich erheben, als er innehielt. Er hörte ein Singen, eine Frauenstimme. Sturm sah sich mit der Hand am Schwert unruhig um. Dann glitt seine
Hand vom Griff. Er erkannte die Stimme und das Lied. Es war die Stimme seiner Mutter. Noch einmal war Sturm mit ihr zusammen ... Sie flohen aus Solamnia, wanderten allein, nur mit einem treuen Gefolgsmann – und dieser sollte sterben, noch bevor sie Solace erreichten. Das Lied war eines jener Schlaflieder, die noch älter als Drachen waren. Sturms Mutter hielt ihr Kind eng an sich gedrückt und versuchte, ihre Furcht von ihm fernzuhalten, indem sie dieses sanfte, beruhigende Lied sang. Sturm schloß seine Augen. Schlaf segnete ihn, segnete auch alle seine Gefährten.
Der Schein von Raistlins Stab glühte hell und hielt die Dunkelheit fern.
Der Pfad der Toten - Raistlins neue Freunde
D er Lärm von Metall, das auf den Tempelboden aufschlug, rißTanis aus einem tiefen Schlaf. Er richtete sich alarmiert auf, seine Hand suchte das Schwert.
»Tut mir leid«, sagte Caramon und grinste beschämt.
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