Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
Hände in seinem Gewand versteckt – die Erscheinung des Todes.
Vor Tanis und Goldmond blieben sie stehen. Tanis, der auf den Körper zu Goldmonds Füßen schaute, schloß die Augen.
Blut war durch das dicke Tuch gesickert, und große dunkle Flecken breiteten sich auf dem Gewebe aus.
»Zieht das Tuch weg«, befahl Goldmond. Caramon sah flehend zu Tanis.
»Goldmond ...«, begann Tanis leise.
Plötzlich beugte sich Raistlin hinunter, und bevor ihn jemand aufhalten konnte, schlug er das blutverschmierte Tuch vom Körper zurück.
Goldmond keuchte unterdrückt beim Anblick von Flußwinds gepeinigtem Körper und erbleichte so, daßTanis ihr seine Hand reichte, da er fürchtete, sie würde ohnmächtig werden. Aber Goldmond war die Tochter eines starken, stolzen Volkes. Sie schluckte und holte tief Luft. Dann wandte sie sich um und ging auf die Marmorstatue zu. Sie zog vorsichtig den blauen Kristallstab aus den Händen der Göttin, kam zurück und kniete sich neben Flußwinds Körper.
»Kan-tokah«, sagte sie sanft. »Mein Geliebter.« Sie streckte ihre zitternde Hand aus und berührte die Stirn des sterbenden Barbaren. Das augenlose Gesicht bewegte sich ihr zu, als ob er sie gehört hätte. Eine der verkohlten Hände zuckte schwach, als ob er sie berühren wollte. Dann zuckte er zusammen und lag völlig still da. Tränen flossen über Goldmonds Wangen, als sie den Stab auf Flußwinds Körper legte. Sanftes blaues Licht erfüllte den Raum. Alle, die vom Licht berührt wurden, fühlten sich im selben Moment ausgeruht und erfrischt. Der Schmerz und die Erschöpfung des Tages wichen aus ihren Körpern. Das Entsetzen über den Angriff des Drachen hob sich aus ihren Gedanken. Dann verblaßte das Licht des Stabes und erstarb. Die Nacht legte sich über den Tempel, nur noch vom Schein der Marmorstatue erhellt.
Tanis blinzelte und versuchte, seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Dann hörte er eine tiefe Stimme.
»Kan-tokah neh sirakan.«
Er hörte Goldmond vor Freude aufschreien. Tanis sah dorthin, wo Flußwinds zerschundener, fast lebloser Körper gelegen hatte, und traute seinen Augen nicht... Der Barbar saß aufrecht
und streckte seine Arme nach Goldmond aus. Sie umarmte ihn und lachte und weinte gleichzeitig.
»Und darum«, Goldmond war am Ende ihrer Geschichte angelangt, »müssen wir einen Weg zum unterirdischen Teil der zerstörten Stadt finden, der irgendwo unter dem Tempel liegt, und wir müssen die Scheiben aus der Höhle des Drachen zurückholen.«
Sie saßen auf dem Tempelboden und hielten ein bescheidenes Mahl ab. Eine schnelle Durchsuchung des Gebäudes hatte ergeben, daß es leer war, obwohl Caramon Drakonierspuren auf der Treppe sowie Spuren einer anderen Kreatur gefunden hatte, die der Krieger nicht einordnen konnte.
Es war kein großes Gebäude. Zwei Kulträume befanden sich auf der gegenüberliegenden Seite des Flures, der zum Hauptraum mit der Statue führte. Zwei kreisrunde Räume gingen vom Hauptraum selbst nach Norden und Süden ab. IhreWände waren mit Fresken geschmückt, die jetzt von Pilzen überwuchert und kaum noch zu erkennen waren. Zwei weitere goldene Türen führten nach Osten. Caramon berichtete von einer Treppe, über die man in den unteren Teil der zerstörten Stadt gelangen konnte. Das schwache Geräusch der Brandung war zu hören und erinnerte sie daran, daß sie sich auf der Spitze einer großen Klippe über dem Neumeer befanden.
Die Gefährten hockten auf dem Boden, hingen ihren Gedanken nach und versuchten, all die Neuigkeiten zu verdauen. Nur Tolpan stöberte weiter in den Tempelräumen herum, lugte mal in diese, mal in jene Ecke. Als er nichts Interessantes fand, wurde es ihm langweilig, und er gesellte sich mit einem alten Helm in seiner Hand wieder zur Gruppe. Da der Helm für ihn zu groß war und Kender sowieso keine Helme tragen, weil sie sie als störend und beengend empfinden, warf er ihn dem Zwerg zu.
»Was ist das?« fragte Flint argwöhnisch und hielt den Helm ins Licht von Raistlins Stab. Es war ein Helm in uralter Ausführung, offensichtlich von einem erfahrenen Metallschmied gefertigt.
Ein langer Schweif aus Tierhaar zierte die Spitze. Flint warf seinen Drakonierhelm auf den Boden und setzte sich den neuen Helm auf. Er paßte vorzüglich. Lächelnd nahm er ihn ab und bewunderte noch einmal seine Ausführung.Tanis beobachtete ihn vergnügt.
»Es ist Pferdehaar«, sagte er und deutete auf den Schweif.
»Nein, das stimmt nicht!« erwiderte der Zwerg
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