Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
wohl,Tanis.«
Tanis schluckte, wollte etwas antworten, gab es dann auf und rannte über die Straße.
Raistlin, der so sehr husten mußte, daß er kaum noch stehen konnte, wischte Blut von seinen Lippen und zog einen kleinen schwarzen Lederbeutel aus seinem Gewand. Er hatte noch einen Zauber übrig, aber kaum genügend Energie, um ihn zu werfen. Seine Hände zitterten vor Erschöpfung, als er versuchte,
den Inhalt des Beutels in ein Glas Wein zu streuen, den Caramon ihm vor Beginn der Schlacht hatte bringen müssen.
Dann fühlte er eine Hand seine eigene ergreifen. Er sah auf, es war Laurana. Sie nahm den Beutel aus seinen zerbrechlichen Fingern. Ihre Hand war mit dunkelgrünem Drakonierblut befleckt.
»Was ist das?« fragte sie.
»Zutaten für einen Zauber.« Der Magier würgte. »Schütte es in den Wein.«
Laurana gehorchte. Die Mischung löste sich sofort auf.
»Trink es nicht«, warnte der Magier sie, als sein Hustenanfall vorüberging.
Laurana sah ihn an. »Was ist es denn?«
»Ein Schlafmittel«, flüsterte Raistlin, seine Augen glitzerten.
Laurana lächelte sarkastisch. »Du glaubst doch nicht, daß wir heute abend schlafen können?«
»Nicht dieser Art«, antwortete Raistlin und starrte sie intensiv an. »Dieses Mittel täuscht den Tod vor. Der Herzschlag verlangsamt sich stark, die Atmung erlischt fast, die Haut wird kalt und blaß, die Glieder versteifen sich.«
Laurana riß die Augen auf. »Warum . . .«, begann sie.
»Als letzten Ausweg. Der Feind denkt, du bist tot, läßt dich auf dem Schlachtfeld zurück – wenn du Glück hast. Wenn nicht. . .«
»Wenn nicht?« half sie nach, ihr Gesicht war leichenblaß.
»Nun, von einigen weiß man, daß sie bei ihrer Beerdigung wach geworden sind«, erwiderte Raistlin kühl. »Aber ich glaube nicht, daß uns das passieren wird.«
Das Atmen fiel ihm nun leichter, er setzte sich hin, duckte sich dabei, weil ein Pfeil über seinen Kopf sauste und neben ihm zu Boden fiel. Dann bemerkte er Lauranas zitternde Hand, und ihm wurde klar, daß sie keineswegs so ruhig war, wie sie immer vorgab.
»Sollen wir das etwa einnehmen?« fragte sie.
»Auf diese Weise werden wir der Drakonier-Folter entgehen.«
»Woher weißt du das?«
»Vertraue mir«, antwortete der Magier mit einem leichten Lächeln.
Laurana sah ihn an und zitterte. Geistesabwesend wischte sie ihre blutbefleckten Finger an ihrer Lederrüstung ab. Das Blut ging nicht weg, aber sie bemerkte es nicht. Ein Pfeil schwirrte an ihr vorbei. Sie zuckte nicht einmal zusammen, sie starrte ihn nur benommen an.
Caramon stolperte aus dem Rauch des brennenden Schankraumes. Ein Pfeil hatte ihn an der Schulter getroffen; sein rotes Blut bildete einen merkwürdigen Kontrast zum grünen Blut seiner Feinde.
»Sie brechen durch die Vordertür«, sagte er schweratmend. »Flußwind hat uns hierhergeschickt.«
»Horch!« warnte Raistlin. »Das ist nicht die einzige Stelle, wo sie durchbrechen!« An der Tür, die von der Küche zum hinteren Ausgang führte, hörte man ein splitterndes Geräusch.
Caramon und Laurana wirbelten kampfbereit herum, gerade als die Tür einstürzte. Eine große dunkle Gestalt trat ein.
»Tanis!« schrie Laurana. Sie steckte ihr Schwert weg und rannte auf ihn zu.
»Laurana!« keuchte er. Er fing sie in seinen Armen auf und hielt sie eng an sich gedrückt, schluchzte fast vor Erleichterung. Dann schlang Caramon seine riesigen Arme um beide.
»Wie geht es allen hier?« fragte Tanis, als er wieder sprechen konnte.
»So weit, so gut«, sagte Caramon, als er hinter Tanis spähte. Sein Gesicht fiel ein, als er sah, daß der Halb-Elf allein war. »Wo sind...«
»Sturm ist verloren«, sagte Tanis müde. »Flint und Tolpan sind auf der anderen Straßenseite, der Kender ist von einem Balken begraben. Gilthanas ist ungefähr zwei Blöcke weiter. Er ist verletzt«, sagte Tanis zu Laurana, »nicht schlimm, aber er konnte nicht mehr weiterlaufen.«
»Willkommen, Tanis«, flüsterte Raistlin hustend. »Du bist rechtzeitig gekommen, um mit uns zu sterben.«
Tanis sah auf den Becher, erblickte den schwarzen Beutel daneben, dann starrte er Raistlin in plötzlichem Entsetzen an.
»Nein«, sagte er entschlossen. »Wir werden nicht sterben. Zumindest nicht wie...« Er brach abrupt ab. »Holt alle her.«
Caramon schleppte sich weg und schrie aus vollem Halse. Flußwind kam aus der Schankstube gerannt, von wo aus er mit den Pfeilen der Feinde zurückgeschossen hatte, weil er selbst keine mehr
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