Die Chronik der Drachenlanze 5 + 6
vor ihm stand.
»Du bist trotz allem eine Frau, Kitiara«, sagte Fürst Soth langsam. »Du liebst...«
Der Ritter bewegte sich nicht und sprach auch nicht, aber die Scherben fielen auf den Boden. Mit seinem durchsichtigen Stiefel trat er auf sie, hinterließ aber keine Spuren.
»Und du bist verletzt«, sagte er leise zu Kitiara, als er näher zu ihr trat. »Mach dir nichts vor, Finstere Herrin. Zerquetsch ihn, so oft du willst, aber der Halb-Elf wird immer dein Herr sein – selbst im Tod.«
Fürst Soth verschmolz mit den Schatten im Zimmer. Kitiara stand lange Zeit da und starrte in das lodernde Kaminfeuer, als würde sie versuchen, ihr Schicksal in den Flammen zu lesen.
Gakhan lief eilig durch den Korridor im Palast der Königin, seine Klauenfüße klapperten über den Marmorboden. Die Gedanken des Drakoniers hielten mit seinem Gang Schritt. Es war ihm plötzlich eingefallen, wo der Hauptmann zu finden sein könnte.Als er zwei Drakonier aus Kitiaras Kommando am
Ende des Korridors herumlungern sah, gab er ihnen Zeichen, ihm zu folgen. Sie gehorchten sofort. Obwohl Gakhan in der Drachenarmee keinen Rang bekleidete – nicht mehr –, war er offiziell als der militärische Berater der Finsteren Herrin bekannt. Inoffiziell war er als ihr persönlicher Mörder bekannt.
Gakhan stand seit langer Zeit in Kitiaras Diensten. Als die Königin der Finsternis und ihre Häscher Nachricht von der Entdeckung des blauen Kristallstabs erhielten, gab es nur wenige Drachenfürsten, die seinem Verschwinden eine Bedeutung beimaßen. Intensiv mit dem Krieg beschäftigt, der allmählich das Leben in den nördlichen Ländern Ansalons auslöschte, verdiente so etwas Triviales wie ein Stab mit Heilkräften nicht ihre Aufmerksamkeit. Es würde schon eine Menge Heilkunst vonnöten sein, um die Welt zu heilen, hatte Ariakus lachend im Kriegsrat bemerkt.
Aber zwei Fürsten hatten das Verschwinden des Stabs ernst genommen: Einer herrschte in jenem Teil Ansalons, wo der Stab entdeckt worden war, der andere war in diesem Gebiet geboren und aufgewachsen. Einer war ein dunkler Kleriker, der andere eine erfahrene Schwertkämpferin. Beide erkannten, wie gefährlich sich ein Beweis für die Rückkehr der alten Götter auf ihre Sache auswirken könnte.
Der eine, Lord Verminaard, schickte Schwärme von Drakoniern, Goblins und Hobgoblins nach dem blauen Kristallstab aus. Kitiara schickte Gakhan.
Es war Gakhan, der Flußwind und den blauen Kristallstab bis zum Dorf Que-Shu verfolgt hatte, und es war Gakhan, der den Überfall auf das Dorf anordnete, bei dem die meisten seiner Bewohner systematisch umgebracht wurden.
Aber plötzlich verließ er Que-Shu, da er Berichte erhalten hatte, daß der Stab in Solace gesichtet worden war. Der Drakonier reiste zu der Stadt, nur um herauszufinden, daß er einige Wochen zu spät gekommen war. Aber hier erfuhr er von Einheimischen, die er »befragt« hatte, daß sich die Barbaren, die den Stab hatten, einer angeblich aus Solace stammenden Gruppe von Abenteurern angeschlossen hatten.
Gakhan mußte an diesem Punkt eine Entscheidung treffen. Er konnte versuchen, ihre Spur zu finden, die zweifellos im Laufe der Wochen kalt geworden war, oder er konnte zu Kitiara mit Beschreibungen dieser Abenteurer zurückkehren, um herauszufinden, ob sie ihr bekannt waren. Wenn das so wäre, konnte sie ihn mit Informationen versorgen, die die Suche vereinfachen würden.
Er entschied, zu Kitiara zurückzukehren, die im Norden kämpfte. Lord Verminaards unzählige Soldaten würden wahrscheinlich eher den Stab finden als er. Gakhan lieferte Kitiara vollständige Beschreibungen der Abenteurer. Sie war sichtlich erschrocken gewesen, daß es sich um ihre Halbbrüder, ihre alten Waffenkameraden und ihren ehemaligen Liebhaber handelte. Kitiara erkannte sofort das Wirken einer großen Macht, denn sie wußte, daß diese Gruppe bunt zusammengewürfelter Wanderer zu einer dynamischen Kraft des Guten – oder des Bösen – werden konnte. Unverzüglich teilte sie der Königin der Finsternis ihre Befürchtungen mit, die bereits über das Fehlen der Konstellation des Tapferen Kriegers beunruhigt war. Die Königin wußte sofort, daß sie recht behalten hatte – Paladin war zurückgekehrt, um sie zu bekämpfen. Aber als sie die Gefahr erkannte, war der Schaden bereits angerichtet.
Kitiara schickte Gakhan wieder auf die Suche. Schritt für Schritt verfolgte der kluge Drakonier die Gefährten von Pax Tharkas bis ins Königreich der
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