Die Chronik der Drachenlanze 5 + 6
blieb das Elfenmädchen dem Ritter treu, als es seine furchtbaren Taten herausfand. Sie betete zur Göttin Mishakal und fragte, ob der Ritter seine Sünden abbüßen dürfe, und offenbar wurden ihre Gebete erhört. Fürst Soth wurde die Macht gegeben, die Umwälzung zu verhindern, obwohl es bedeuten würde, sein eigenes Leben zu opfern.
Gestärkt durch die Liebe des Mädchens, das er entehrt und betrogen hatte, machte sich Fürst Soth nach Istar auf, in der Absicht, den Königspriester aufzuhalten und seine verlorene Ehre wiederherzustellen.
Aber der Ritter wurde auf seiner Reise von Elfenfrauen aufgehalten, Jüngerinnen des Königspriesters, die von Fürst Soths Verbrechen wußten und drohten, ihn zu zerstören. Um seine Liebe zu dem Elfenmädchen zu schwächen, enthüllten sie ihm, daß sie in seiner Abwesenheit untreu gewesen wäre.
Soths Temperament ging mit ihm durch, und er verlor alle Vernunft. In einem Anfall von Eifersucht ritt er nach Burg Dargaard zurück. Er trat durch die Tür und beschuldigte das unschuldige Mädchen der Untreue. Dann erfolgte die Umwälzung. Der riesige Kerzenleuchter im Korridor fiel zu Boden, und das Elfenmädchen und ihr Kind verbrannten jämmerlich. Bevor sie starb, flehte sie noch einen Fluch über den Ritter herbei, verdammte ihn zum ewigen entsetzlichen Leben. Soth und sein Gefolge starben im Feuer, aber nur, um so fürchterlich wiedergeboren zu werden.«
»Das ist es also, was er hört«, murmelte Ariakus lauschend.
B akaris schlief unruhig in seiner Gefängniszelle. Obwohl tagsüber arrogant und unverschämt, quälten ihn nachts erotische Träume von Kitiara und Angstträume von seiner Hinrichtung durch die Ritter von Solamnia. Oder vielleicht war es seine Hinrichtung durch Kitiara. Er war sich dessen niemals sicher, wenn er, in kalten Schweiß gebadet, erwachte. Wenn er in seiner frostigen Zelle in den stillen Stunden der Nacht wach lag, verfluchte Bakaris die Elfenfrau, die die Ursache seiner Niederlage gewesen war. Immer wieder schmiedete er Rachepläne.
Bakaris dachte gerade wieder daran, zwischen Schlaf und Wachen schwebend, als das Geräusch eines Schlüssels im Schloß seiner Gefängniszelle ihn auf die Beine brachte. Es war fast Morgendämmerung, fast die Stunde der Hinrichtung! Vielleicht holten ihn die Ritter!
»Wer ist da?« rief Bakaris barsch.
»Pssst!« befahl eine Stimme. »Du befindest dich nicht in Gefahr, wenn du den Mund hältst und das tust, was man dir sagt.«
Bakaris setzte sich erstaunt auf. Er hatte die Stimme erkannt. Warum auch nicht? Jede Nacht hatte sie in seinen Rachegedanken gesprochen. Die Elfenfrau! Und der Kommandant konnte zwei andere Gestalten, kleine Gestalten, im Schatten erkennen. Höchstwahrscheinlich der Zwerg und der Kender. Sie waren immer um die Elfenfrau herum.
Die Zellentür öffnete sich. Die Elfenfrau glitt herein. In ihrer Hand hielt sie einen Umhang.
»Beeil dich«, befahl sie kühl. »Zieh das an.«
»Erst wenn ich weiß, was los ist«, erwiderte Bakaris argwöhnisch, obwohl er innerlich jubelte.
»Wir tauschen dich aus... gegen einen anderen Gefangenen«, antwortete Laurana.
Bakaris runzelte die Stirn. Er durfte nicht allzu neugierig erscheinen.
»Ich glaube dir nicht«, sagte er und legte sich wieder auf sein Bett. »Es ist eine Falle...«
»Es interessiert mich nicht, was du glaubst!« schnappte Laurana ungeduldig. »Du kommst mit, und wenn ich dich ohnmächtig schlagen muß! Es spielt keine Rolle, ob du bei Bewußtsein bist oder nicht, solange ich in der Lage bin, dich Kiti . . . der Person, die dich will, vorzuzeigen!«
Kitiara! So war das also. Was hatte sie vor? Welches Spiel spielte sie? Bakaris zögerte. Er vertraute Kit genausowenig wie sie ihm. Sie war fähig, ihn zu benutzen, um ihre eigenen Ziele voranzutreiben, was sie zweifellos gerade wieder tat. Aber vielleicht konnte er sie, als Gegenleistung, auch benutzen. Wenn er nur das Spiel durchschauen würde! Aber als er in Lauranas
Gesicht sah, wußte Bakaris, daß sie willens war, ihre Drohung wahrzumachen. Er würde den rechten Moment abwarten müssen.
»Ich habe offenbar keine andere Wahl«, sagte er. Der Mond schien durch ein vergittertes Fenster in die schmutzige Zelle auf Bakaris’ Gesicht. Er war seit Wochen im Gefängnis. Er wußte nicht, wie lange, er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Als er nach dem Umhang griff, sah er in Lauranas kalte grüne Augen, die aufmerksam und vor Ekel leicht verengt auf ihn gerichtet waren.
Unsicher
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