Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
ausgetauscht hatten. Erich blickte reihum in ihre vom Wetter gegerbten Gesichter. Sie waren dunkel vom ständigen Aufenthalt unter freiem Himmel, aber auch so ähnelten sie von ihrer Statur eher dem Halken als Sarn oder Kern. Keiner von ihnen sah so aus, als könnte er ein Verwandter von Erich sein. In ihren langen schwarzen Haaren hingen nicht nur kleine Perlen, sondern auch Federn und Tierzähne. Erich war sich sicher, dass man an ihnen die Stellung der Männer ablesen konnte, vielleicht auch ihre Taten und Errungenschaften.
„ Es gibt eine gute Zeit das Feld zu betreten?“, fragte Sirr spöttisch und Sarn warf ihr einen warnenden Blick zu. Die fragile Balance der Höflichkeiten konnte leicht gestört werden, zumal wir nicht wussten, nach welchen Regeln hier gespielt wurde. Aber der Mann ließ sich nicht von diesem Zwischenruf stören.
„ Jenes Feld ist im Herbst und im Winter am gefährlichsten.“, sagte der Mann.
Laubschatten nickte und pflichtete ihm bei. „Bleibt bis zum Frühling bei uns und geht, wenn die Kinder ihren Dämon rufen. Es gibt viel was das Volk des Waldes und das der Steine voneinander lernen können.“
„Danke für das Angebot. Aber so lange zu warten, bis die Dämonen gerufen werden, klingt erst recht unsicher.“
„ Dieses ist nicht wie ihr es kennt. Wir behalten unsere Kinder bei uns, bis diese das zwölfte Lebensjahr erreichen und bringen diese dann auf das Feld. Noch in selbiger Nacht in der diese das Feld betreten, erscheint ihr Dämon und am Tag darauf kehren diese als Erwachsene zu uns zurück – oder bleiben für immer dort.“
„ Aber wie ist das möglich? Niemand kann vorhersagen, wann der Zeitpunkt für das Blutritual gekommen ist.“
„ Jenes beginnt in der Nacht, in der diese das Sommerfeld betreten.“, beharrte Laubschatten.
Sarn war mit dieser Antwort noch nicht zufrieden. „Mag sein, dass die Magie auf dem Sommerfeld das Ritual auslöst, aber es kann nicht zu Ende gebracht werden ohne dass jemand stirbt!“
Laubschatten, der Älteste nickte. „Jemand. Oder etwas.“
„ Etwas?“
„ Seit der Schlacht kommen jene Toten nicht zur Ruhe. Immer wieder brechen jene aus den Gräbern und versuchen den Kampf fortzusetzen. Wenn es taut, kommen jene aus der Erde. Unsere Kinder bringen jene dorthin zurück, wenn sie ihren Dämon rufen.“
„ Wäre dann nicht der Winter die sicherste Zeit, um das Sommerfeld zu überqueren?“
„ Wenn jene kämpfenden Toten die einzige Gefahr wären, dann ja, aber jenes Feld hält Schlimmeres bereit.“
„ Was kann schlimmer sein als Tote, die einen ewigen Krieg führen?“
Laubschatten blickte sie der Reihe nach durchdringend an, während die anderen Ältesten für eine Weile aufhörten an ihren Pfeifen zu saugen.
„Jenes Weiß.“, wisperte er und die Ältesten rutschten unruhig auf ihren Kissen herum.
„ Sobald Schnee die Ebene bedeckt, öffnet sich ein Tor, das jenes ganze Sommerfeld an einen Ort bringt, aus jenem es kein Zurück mehr gibt. Noch niemand, welcher das Feld betreten hat, während jenes mit Schnee bedeckt war, ist jemals von selbigem wiedergekommen.“
„ Ein Tor? Was meinst du damit, dass es sich öffnet? Steht dort ein Gebäude?“, fragte Sarn.
Laubschatten warf den Kopf in den Nacken und schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Kein Tor, wie ihr es euch vorstellt. Man kann jenes nicht sehen, aber jenes ist da. So wie dieser Zauber auf der Straße, über die ihr gekommen seid, da ist. Aber erst im Winter öffnet es sich. Warum wissen wir nicht.“
„Weil der Schnee die Siegel verdeckt.“, sagte plötzlich Kern mit völlig klarer Stimme. Sarn und die anderen schauten sich verwundert zu ihm um, während Laubschatten über diese Antwort nachdachte.
„ Solches wäre möglich. Nach allem was wir wissen, hat ein mächtiger Magier aus Sunterak nach jenem Krieg dafür gesorgt, dass jene Schrecken des Feldes auf jenem Feld bleiben. Wir wissen wenig darüber, wie dieser das gemacht hat, aber große steinerne Zeichen im Boden sind Teil seines Zaubers. Ebenso diese Schneise, welche ihr überquert habt. Diese ist die erste von dreien, welche das Sommerfeld umgeben. Ihr Name ist Wahrheit.“
„ Bezaubernd.“, sagte Sirr. „Wie heißen die anderen beiden? Lügen und Erwischtwerden?“
Laubschatten schüttelte den Kopf.
„Nein. Sie heißen Wahnsinn und Wehe. Bleibt bei uns. Im Frühling werden wir dafür sorgen, dass ihr sicher über jenes Sommerfeld kommt.“
Sarn hatte den Kopf in die Hand gestützt
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