Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Beruhigt euch, Herr, die Gefahr ist vorüber. “
Noch ein paar Mal versicherte ich ihm, dass nichts mehr geschehen könne, aber es dauerte eine ganze Weile, bis er es wieder zurück auf trockenen Boden geschafft hatte. Er hustete schlammiges Wasser aus und spuckte noch ein paar Mal, bevor er so weit war, dass er sprechen konnte.
„Das war widerlich!“, keuchte er. Er zitterte am ganzen Körper und ich sah, dass ich nicht vergessen durfte, ihn nachher an die Blutegel zu erinnern, die überall an seiner Haut hafteten. Aber das war jetzt nicht so wichtig. Erst einmal musste ich ihm Zeit geben sich zu beruhigen.
„ Es war nur eine Pflanze. Sie kann euch nichts mehr tun. “
„ Das meine ich nicht. Ich meine das was du mit mir gemacht hast. Das war ein schreckliches Gefühl!“
„ Was meint ihr damit, Herr? Ich habe euch meine Stärke … “
„ Du hast mich aus meinem Körper gedrängt. Ich konnte von außen sehen, wie ich unter Wasser war und … meine Hände bewegten sich und ich habe mich von diesen Tentakeln befreit, aber das war nicht ich. Das warst du.“
Erich wischte sich über Gesicht und Arme, aber von seinem Widerwillen konnte er sich nicht befreien.
„ Das ist das, was wir Horndämonen tun. Wir leihen unseren Herren unsere Stärke und unser Wissen. All die Fähigkeiten, die wir besitzen. “
„ Ihr … was?“ Erich verzog sein Gesicht als ob er sich gleich wieder übergeben müsste und fuhr sich erneut mit den Händen über die Wangen. Mit einem Mal bemerkte er, dass er über und über mit Schlamm und verrottenden Pflanzenteilen bedeckt war und sprang auf, um zurück zum Wasser zu laufen. Nicht sehr erfolgreich versuchte er sich den Schmutz vom Körper zu waschen, aber mit jedem Schwall, den er sich über Kopf und Arme schüttete, tauschte er nur den alten Dreck gegen neuen aus. Außerdem entdeckte er nun selbst die Blutegel. Er überraschte mich damit, dass er plötzlich in sich zusammensank und weinend im kniehohen Wasser sitzen blieb.
„ Ihr werdet euch mit der Zeit daran gewöhnen, Herr. “, versuchte ich ihn zu trösten. „ Wir Horndämonen ergreifen nur dann Besitz vom Körper unserer Gebieter, wenn diese es erlauben – oder wenn sie in Lebensgefahr sind. Bitte kommt aus dem Wasser heraus. Hängt eure Kleidung zum Trocknen auf und befreit Euch von den Blutegeln. “
Erich reagierte nicht. Er schluchzte nur weiter leise vor sich hin und erst als ich schon fürchtete, dass ihn der Angriff schlimmer mitgenommen hatte als angenommen, stand er wortlos auf, fischte seine Hosen aus dem Wasser und setzte seinen Weg weiter schluchzend fort. Die Blutegel zog er sich während er ging von der Haut.
„Du hast keine Ahnung wie sich das anfühlt.“, sagte er etwa eine Viertelstunde später. „Es ist wie … wie … sterben. Wie sterben, während man noch lebt.“
„ Dabei ist es das, was bereits Tausenden Hürnin das Leben gerettet hat. “, wandte ich ein.
„ Kann schon sein, aber ich mag es trotzdem nicht. Gibt es keine andere Möglichkeit, wie ihr Dämonen uns in Gefahr beistehen könnt?“
„ Nein. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Zumindest nicht für mich. “
Erich blieb stehen und wischte sich die Tränen aus den Augen. Dann blickte er mich zum ersten Mal seit langer Zeit direkt an. „Wie … wie geht das eigentlich vor sich? Was passiert wenn Du meinen Körpers übernimmst?“
Ich erzählte ihm alles was ich über die Besessenheit wusste. Sie war ein natürliches Talent der Horndämonen, so wie Vögel das natürliche Talent hatten zu fliegen. Nur wenige waren dazu nicht in der Lage aber viele verlernten es im Laufe der Zeit. Doch wenn ein Horndämon es gar nicht zu Wege brachte in den Körper seines Herrn zu fahren, dann gelang auch das Blutritual nicht.
„ Wir haben keinen Körper so wie Ihr, Herr. Unser Geist durchdringt alles und wenn es sich dabei um einen Hürnin handelt, wird sein Geist für eine Weile von unserem verdrängt. Nur jemand mit einer sehr starken Willenskraft kann es schaffen uns Stand zu halten. Es ist ein Fluch und ein Segen keinen Körper in dieser Welt zu haben. So wie Ihr mich jetzt seht, sehe ich übrigens nur in deiner Welt aus. “
„ Wie siehst du in deiner eigenen Welt aus?“
„ Wahrscheinlich viel weniger furchteinflößend. Aber dazu müsstet Ihr mir sagen, wie Ihr mich jetzt seht. “
Erich war überrascht. „Du weißt nicht, wie du aussiehst? Kannst du dich denn nicht in einem Spiegel sehen oder so?“
„ Nein, Herr. Die
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