Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
noch trocken und sehr spärlich mit Büschen und zähem Gras bewachsen, aber wir sahen auch immer wieder Felder und vereinzelte Wäldchen. Außerdem verhießen Wolken vor uns ein Ende der Hitze, die sich wie ein Fremdkörper in den nahenden Winter geschoben hatte. Je weiter wir uns von der Wüste südlich von Lazara entfernten, desto kühler wurde es und bald waren Sarn und der Halken wieder froh um jedes Stück Stoff, das sie bei sich hatten.
Ein paar Bauern, denen wir begegneten, bereiteten ihren Grund auf den kommenden Winter vor oder waren mit Bündeln von Reisig auf dem Rücken unterwegs, aber ansonsten sahen wir keine Menschenseele.
Wie um sich selbst Mut zu machen, erklärte uns Sarn, dass es vielleicht gar nicht nötig war, einen Heilkundigen zu finden. An der Speerbucht gab es viele Bauern, die sich mit Kräutern auskannten und wenn sie nur die richtigen Kräuter anbauten, dann könnte Sarn selbst eine Salbe daraus mischen, die Erich helfen würde. Hoffte er zumindest.
Also hielt Sarn mit dem Halken und dem Kamel, auf dem Erich festgezurrt war, auf die erste größere Ortschaft zu, die wir sahen. Im Nordosten konnten wir die Klippen der Speerbucht erahnen, die sich von hier aus mehrere Tagesreisen bis zum Meer hinzog.
Sarn verschwendete keine Zeit und klopfte seinem Kamel noch einmal ermutigend auf den Hals um es in Richtung Dorf hin anzutreiben. Bei der Ansiedlung handelte es sich um eine Ansammlung von windschiefen Hütten, die zwar gut gebaut waren, aber schon längst einmal eine gründliche Überholung gebraucht hätten. Die drei sich nähernden Kamele waren natürlich nicht unbemerkt geblieben und so wie es aussah, hatte das ganze Dorf irgendeinen Vorwand gefunden, sich mehr oder weniger unauffällig entlang der Straße zu versammeln und die Reisenden mit offenem Misstrauen zu mustern.
Sarn machte keinen Hehl aus dem Grund, warum er hergekommen war. Als der erste Bauer nah genug war, schlug er das Tuch zurück, das Erich bedeckte.
„Der Junge ist verletzt und braucht Hilfe. Gibt es hier einen Heiler? Baut jemand Wellkraut oder Mend an?“
Zunächst erhielt er keine Antwort, aber dann wies eine alte Bäuerin, die hinter dem Mann aufgetaucht war, mit dem Kopf zu einer mit Dornenbüschen bewachsenen Hügelkette hinüber.
„Gäh z'r alten Baja, dä kann d'r hälf.“
Sarn danke ihr und sie trieben die Kamele zu einem schnellen Trab an. Die Bauern mit ihrem seltsamen Dialekt schienen nicht besonders gut auf Fremde zu sprechen zu sein und auch wenn sie nicht viel von dieser Baja zu halten schienen, hatten sie Sarn und die anderen ohne zu zögern zu ihr geschickt. Sie musste also eine Heilkundige sein. Sarn klammerte sich an einen Strohhalm, aber das war immer noch besser als nichts zu tun.
„Er wird wieder gesund.“, sagte der Halken zum wiederholten Mal. „Sein Herz ist stark.“
Ich hoffte, dass der Ork damit Recht behalten würde.
Es dauerte nicht lange und wir erreichten den Ort, an dem diese Baja zu finden sein musste. Sarn wusste nicht was er erwartet hatte, aber bestimmt nicht die von blühenden Blumen übersäten Flanken eines Hügels, zu dem ein Trampelpfad führte. Überall sonst hielten sich die Pflanzen herbstlich bedeckt, aber hier, auf diesem einen Hügel standen sie in voller Pracht so als wäre der Frühling gerade eben erst angebrochen. Sarns Herz schlug schneller, als er darunter zahlreiche Heilkräuter entdeckte.
Der Halken murmelte einige Schutzformeln und Sarn stieg vorsichtig von seinem Kamel, um Erich loszumachen. Dann suchte er sich einen Weg durch das Dickicht aus Dornenbüschen, die über den Blumen standen und ihre Zweige in den Himmel reckten wie tote Hühnerbeine. Der Halken blieb derweil bei Erich und den Kamelen.
Der Pfad führte ihn zu einem Loch in der Erde, das von einer kreisrunden grünen Tür verschlossen wurde, in deren Mitte ein golden glänzender Knauf prangte. Sarn erkannte sofort, dass es sich dabei um einen Schild handelte, oder zumindest einmal gehandelt hatte, denn die grüne Farbe war durchzogen von verwitterten Kerben, die von Waffen stammen mussten.
Er klopfte an das Holz und stellte mit einem Mal fest, wie still es um ihn herum geworden war. Noch wenige Minuten zuvor hatten Schwalben den Himmel durchkreuzt und andere Vögel im Unterholz ihr Revier für sich beansprucht, aber jetzt war von alledem nichts mehr zu hören. Nur sieben Raben zogen weit über ihm lautlos ihre Kreise.
Mit einem leisen Klicken sprang die Tür auf und Sarn öffnete
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