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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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sie ganz, indem er sie vorsichtig mit dem Fuß aufschob, um bei einem Angriff die Hände frei zu haben. Hinter der Tür war ein Gang aus unregelmäßigen Steinen zu sehen, der mit Lehm und Stroh verputzt worden war. An der Wand waren drei Metallhaken angebracht. Es roch nach Kräutern und frischem Brot. Sarn schluckte. Er merkte erst jetzt wieder, welchen Hunger er hatte.
    „ Hallo?“, sagte er und ging einen Schritt in die Behausung im Hügel hinein. „Im Dorf hat man mir gesagt, dass ihr mir vielleicht helfen könnt. Ich habe einen verletzten Jungen bei mir.“
    Er erhielt keine Antwort und ging einige weitere Schritte nach drinnen. Ich konnte ihn nicht begleiten, denn ich hatte die Grenze erreicht, die mich an meinen Herrn band. Wie eine zähe Mauer drückte sie mich zurück und ich wandte mich um, damit ich nach ihm sehen konnte.
    Er lag inzwischen nicht mehr festgebunden auf dem Kamel und ich konnte ihn zuerst nirgends sehen. Auch der Halken war verschwunden.
    Für einen kurzen Augenblick spürte ich Panik in mir aufsteigen, aber ich wusste immer, wo mein Herr sich befand, auch wenn ich ihn nicht sehen konnte und ich folgte einfach meinem Gefühl, das mich zielsicher zu ihm führte.
    Er lag ausgestreckt auf einer kleinen Lichtung versteckt zwischen den Dornenbüschen und neben ihm kniete eine Gestalt mit langem weißem Haar. Bei ihr handelte es sich um eine in grobes Leinen gehüllte Frau, die den Herbst und auch den Winter ihres Lebens schon erlebt hatte und es trotzdem irgendwie geschafft hatte weiterzuleben. Sie sah so unglaublich alt aus, dass der kleinste Windhauch auszureichen schien ihre fragile Gestalt wie trockenes Laub zu zerbrechen.
    Sie hatte Erich das Hemd ausgezogen und untersuchte mit erschreckend dünnen Fingern die Wunde an seiner Seite. Der Halken hockte mit einem verträumten Gesichtsausdruck neben den beiden und schien nicht wahrzunehmen, was um ihn herum vor sich ging. Das Tuch war von seinem Mund gerutscht und auch sein Umhang saß irgendwie schief. Aber darüber konnte ich mir jetzt keine Gedanken machen. Die Frau beanspruchte meine ganze Aufmerksamkeit.
    „Wie ist das passiert?“, wollte sie den Kopf wendend wissen. Sie sprach mit der Stimme einer Frau, die in letzter Zeit nicht oft von ihr Gebrauch gemacht hatte und blickte mich direkt an.
    Eine Hürnin! Es konnte keinen Zweifel daran geben, dass ich hier eine Hürnin vor mir hatte. Oder nein, etwas anderes, etwas … Ihre verblichen grünen Augen hielten mich fest und duldeten keinen Aufschub. Ich musste ihre Frage beantworten, bevor ich meine Gedanken wieder für mich beanspruchen konnte.
    „Ich dachte es mir.“, sagte sie, nachdem ich verstummt war.
    „ Fahr in seinen Körper.“, sagte sie. „Hilf mir ihn nach drinnen zu bringen.“
    Ich fragte mich, wie sie es geschafft hatte ihn überhaupt vom Kamel zu bekommen, und was sie mit dem Halken angestellt hatte, aber in dem Moment, in dem ich mich seines Körpers bemächtigte, bemerkte ich, dass die Macht des Astes in ihm nachgelassen hatte.
    Meine Freude darüber verpuffte, als ich sah, wie schlecht es um meinen Herrn bestellt war. Er lebte noch, aber er lebte nur, weil der Ast in seiner Seite feine Fäden zu seinen Organen vorangetrieben hatte. Wie eine Marionette an schwarzen, beinahe unsichtbaren Fäden schlug sein Herz und sein Zwerchfell zog und schob an den Lungenflügeln …
    Mit Mühe gelang es mir, seine steifen Muskeln zu bewegen und mit der Hilfe der Frau schafften wir Erich zur Tür, die in den Hügel führte.
    „ Was ist mit dem Halken? “, wollte ich wissen. Ich machte mir ein wenig Sorgen um ihn und außerdem hätte ich seine Kraft jetzt gut gebrauchen können.
    „ Das schwarze Tor des Todes ist nicht in unserem Haus willkommen. Aber sei unbesorgt. Es wird ihm nichts geschehen.“
    „ Das schwarze Tor des Todes? Was bedeutet das?“
    „ Hat er es euch nicht gesagt? Die Orks nennen es einen Schwarzen Halken. Jemanden, der die Sterbenden auf den Tod vorbereitet. In unserem Haus ist kein Platz für den Tod und seine Diener.“
    Es blieb mir nichts anderes übrig, als das so zu akzeptieren, denn die Frau schlüpfte ins Innere der Hütte und ich folgte ihr ohne weitere Fragen stellen zu können.
    Aus den Räumen im Inneren konnte ich Geräusche hören. Auf der rechten Seite stand eine weitere runde Tür offen, die in einen großen Raum führte, in dessen Mitte ein schwerer Tisch stand. Er musste hier aufgestellt worden sein, bevor man dieses Höhlenhaus gebaut

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