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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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Welt hereinbricht. Denn die Weisen und die Orakel sind dem Schicksal Untertan. Sie können die Welt nicht verändern. “
    „ Das kommt mir ziemlich dämlich vor.“, beschwerte sich Erich.
    „ Es kommt nur auf den Maßstab an. Und der Maßstab für ein Orakel ist immer der einzelne. So lange es ein einziges Wesen gibt, für das eine Prophezeiung in Erfüllung geht, so lange ist es eine gute Prophezeiung. Der Prophet ist nicht verantwortlich für die, die ihn missverstehen. “
    „ Was aber noch nicht erklärt, warum eine Prophezeiung so vieldeutig sein muss.“
    „ Weil die Zukunft vieldeutig ist. Eine perfekte Prophezeiung beinhaltet alle möglichen Wahrheiten. “
    „ Dann sag mir, was du für meine Zukunft siehst.“
    Ich hielt das für keine gute Idee. Seine Zukunft kennen zu wollen brachte meist nichts als Ärger.
    „ Du wirst nach Drachall gehen und die Welt dort verlassen. Du wirst deine Eltern nicht finden, aber ein Zuhause. Du wirst deine Eltern finden aber kein Zuhause. Du wirst sterben und viele Jahrhunderte leben. “
    Erich blinzelte ein paarmal und zuckte dann mit den Schultern. „Was auch immer … Sonst noch irgendwelche schlauen Ratschläge?“
    „ Ja. Vergiss Amarill nicht. “
    Erich zuckte zusammen, während der Faden schlagartig zu Boden fiel und dort in unordentlichen Schlingen liegen blieb.
    „Lass uns gehen.“, murmelte er schließlich.
    Nachdem wir den Raum verlassen hatten, war es nicht schwierig den Weg zu finden, der weiter ins Innere der Burg führte. Erst verdeckten Gobelins die zuvor nackten Wände, dann verschwand das Stroh von den Böden und wurde von Teppichen abgelöst.
    Auch hier stießen wir schnell auf Geister, aber keiner von der eisig-rachsüchtigen Sorte. Vor einem Durchgang hatten sich zwei Hellebardenträger als Wachen postiert. Ihre Körper sahen aus wie klares Glas, in das man Nebel gegossen hatte. Ihr Inneres war unablässig in Bewegung, auch wenn sie keine ihrer Gliedmaßen bewegten. Obwohl auch sie recht durchscheinend waren, konnte man klar die Farben ihrer Kleidung und sogar die ihrer Augen erkennen.
    „ Ihr werdet erwartet. “, sagte eine der Wachen, gerade als Erich sich fragte, ob er sich den Weg nun freikämpfen musste. Zweimal schlugen die Uniformierten mit den Enden ihrer Waffen auf den Boden und ein Mann in einer Livree mit Spitzen und Quasten erschien, die zu seiner Zeit wahrscheinlich jeden beeindruckt hatte. Erich kam sie allerdings überladen und ein wenig lächerlich vor.
    „ Seid gegrüßt, werter Gast. “, sagte der Mann mit einer würdevollen Verbeugung. „ Ich bin Philanchel, der Herold ihrer Herrschaft Chon. Bitte folgt mir. “
    Erich war so überrascht, dass er zunächst einmal stehen blieb.
    „Ich bin euer Gast?!“
    „ Aber natürlich. So wie eure Freunde. “
    „ Dann haltet ihr Sirr und den Halken nicht gefangen?“
    „ Aber nein! Es ist nur so, dass sich die Gespräche … ein wenig in die Länge ziehen. Aber das ist nichts, worüber ihr euch Sorgen machen müsst. Ihr seid unter Hürnin. Ihr genießt den Schutz des Gastrechtes. Kommt, kommt! Ich bitte euch! Kommt! “
    Philanchel winkte Erich ihm zu folgen. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er auch mich sehen konnte, bei diesen ganzen Höflichkeitsfloskeln und dem ständigen 'ihr' und 'euch' wusste man nie, ob Philanchel nur zu einer Person sprach oder zu mehreren. Aber er schien es ehrlich zu meinen.
    Er und die Wachen waren nicht die einzigen Geister, die sich auf den Fluren und in den Kammern herumtrieben. Überall saßen und standen Männer und Frauen in altertümlicher Kleidung, die ziemlich unbequem aussah. Ich fragte mich, ob das vor langer Zeit wirklich die Alltagskleidung gewesen sein konnte, oder ob sich die Geister für einen besonderen Anlass herausgeputzt hatten.
    An den Gesichtern der Geister konnte man ablesen, dass es unter ihrer Würde war, sich mit Erich abzugeben, aber gleichzeitig gab es im Moment offensichtlich nicht Lohnenswerteres zu betrachten. Erich war froh, dass uns Philanchel emsig einen Weg durch die anderen Geister bahnte und nicht zuließ, dass sie allzu aufdringlich wurden. Ich konnte trotzdem einige abfällige Bemerkungen über Erichs Kleidung oder besser deren Abwesenheit hören.
    Wir passierten drei weitere Portale, vor denen Wachen in immer imposanterer Rüstung postiert waren, bis wir schließlich in den Thronsaal von Chon gelangten.
    Thronsaal ist so ein unscheinbares Wort, das kaum wiedergeben kann, welchen Eindruck der Saal auf Erich

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