Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Stimme des Mannes hatte er keine Chance. Das Schlimme daran war, dass es auch nicht besser geworden wäre, wenn ich Erichs Körper meiner Kontrolle unterworfen hätte. Das Gebrüll war wie ein reißender Strom, der sich Erich in den Weg stellte.
Ich suchte einen Ausweg aus dieser Situation, aber noch während ich darüber nachdachte, wurde alles noch schlimmer. Wie Reisende im Nebel tauchten aus den Wänden nacheinander alle Dorfbewohner auf, die Erich getötet hatte und auch Mamre wurde nun für mich sichtbar. Ihre Gesichter waren zu Fratzen des Hasses verzerrt und sie begriffen schnell, auf welche Weise sie Erich trotz ihrer Halbexistenz Schmerz zufügen konnten. Mit schrillen Stimmen stimmten die Frauen ein Gekreisch an, das ihn dazu brachte sich zusammen zu krümmen und die verbalen Hiebe der Männer warfen ihn von einer Wand des Gangs zur anderen. Aber erst als zwei weitere Gestalten auftauchten, ging Erich endgültig in die Knie.
„Vater. Mutter.“, las ich von seinen blutleeren Lippen ab.
„ Mörder! Wahnsinniger! Seuche! Verräter! Hürnin! Verbrecher! Schlächter! Meuchler! Psychopath! Monster! Plage! Unhold! Unmensch! Dämonensklave! Tier! Blutsäufer! Irrer! … “
Die Kakophonie der nicht abreißenden Anklagen ergoss sich wie ein Murenabgang auf Erich, der von der Last der Anschuldigungen zu Boden gedrückt wurde. Am härtesten trafen ihn nicht die Vorwürfe, die man ihm entgegen schleuderte, sondern die Augen seiner Ziehmutter, die einfach nur dastand und ihn anstarrte. Ein tiefer Riss ging mitten durch ihre Brust aus Eis.
„ Wir müssen hier weg. “, rief ich und versuchte zu meinem Meister durchzudringen, doch der hatte sich auf dem Boden zusammengerollt und presste die Augen fest zusammen.
Ohne ihn ein weiteres Mal um Erlaubnis zu bitten fuhr ich in seinen Körper, stellte aber fest, dass ich mich dort nicht halten konnte und sofort wieder herausglitt. Ob es an seiner Angst lag oder am Einfluss der Toten vermochte ich nicht zu sagen, aber auch alle meine weiteren Versuche ihn von dort wegzubringen scheiterten.
Doch dann hob Erich plötzlich seinen Kopf und sah sich suchend um. Er stand auf und griff zitternd in seinen Umhang. Während die Geister wie ein Schneesturm um ihn herum tobten, holte er bedächtig ein unscheinbares rotes Wollknäuel aus einer der Innentaschen, zog das lose Fadenende heraus und ließ den Ball dann zu Boden fallen. Das Knäuel fiel, hielt dort wo es den Boden traf aber nicht inne, sondern rollte zielstrebig den Gang hinunter und auf eine verschlossene Tür zu. Erich atmete tief durch und folgte dem Faden, obwohl er dabei immer wieder durch die Geister seiner Opfer hindurchgehen musste, die ihn direkt ins Gesicht schrien und ihn umringten wie eine Hundemeute. Erich folgte dem Faden, wobei er das Ende zwischen seiner Hand und dem Ellenbogen aufwickelte und erreichte schließlich die Tür. Er zog den Riegel beiseite und öffnete sie, um den Raum dahinter zu betreten.
Die plötzliche Stille traf uns wie Eiswasser. Noch immer waren die Geister ganz nah, aber sie konnten oder wollten den Gang nicht verlassen und auch ihre Stimmen drangen nicht über die Schwelle. Am ganzen Körper zitternd und kreidebleich im Gesicht stand Erich da und bekam kaum mit, wie der Faden wie eine Spinne durch die Luft schoss und eine Frauengestalt formte, die mir irgendwie bekannt vorkam.
„ Wer bist du? “, wollte die Frau aus Wollfaden wissen. „ Nein, warte, ich kenne dich. Du bist das Kind, das wir aus der Abtei der Einsiedler gerettet haben. Was tust du hier und woher hast du meinen Umhang? “ Erich öffnete den Mund und versuchte mehrmals einen Ton herauszubekommen, schaffte es aber nicht.
„ Das ist Erich, mein Herr und Meister. Die Schwestern Ba und Ja haben ihm den Umhang gegeben, nachdem sie ihn vom Ast des Scharif in seiner Seite befreiten. “
„ Baja? Sagt, wie geht es meinen Schwestern? “
„ Dann seid ihr Dag, die dritte der Schwestern, die umgekommen ist? “
Die Wollfrau nickte. Jetzt da ich wusste, wer sie war, konnte ich auch die Ähnlichkeit zu ihren Schwestern erkennen. „ Euren Schwestern geht es gut. Sie haben uns hier hergebracht, damit wir unsere Freunde finden, Sirr, Kern und den Halken. “
„ Du bist ein Horndämon. “, sagte Dag und kam einen Schritt näher. „ Ich dachte es gibt euch nicht mehr. Ich dachte die anderen Dämonen hätten euch schon längst ausgelöscht. “
„ Nein. Wir erfüllen noch immer den Pakt, den Sigwar mit uns
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