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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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die Vision Sirocos etwa auch auf Erich übergegriffen? Ich kam näher.
    Erich musste meinen sorgenvollen Blick bemerkt haben, denn er lächelte mich schwach an und machte eine Handbewegung, die zeigen sollte, dass es ihm gut ging und dass ich mir keine Sorgen machen sollte. Aber als er den Blick wieder von mir abwandte, konnte ich sehen, dass er zwar körperlich unversehrt sein mochte, aber dass tief in ihm etwas geschehen war, das Anlass zur Sorge gab. Ich wusste nur noch nicht, was das war.
    Während Erich erschöpft in einen fragilen Dämmerschlaf sank und es auch über uns still wurde, wartete ich ungeduldig auf eine Gelegenheit meinen Herrn hier raus zu schaffen oder wenigstens herauszubekommen, was passiert war. Vorsichtig blickte ich unter dem Bett hervor und fand den Harem Sirocos schlafend vor. Nackt und mit offenen Haaren lagen die Frauen auf das Lager von Kissen hingebreitet, während nach wie vor eine von ihnen wachsam die Insel umkreiste. Aber wir hatten ja schon gesehen, dass es nicht unmöglich war, diese Wächterin zu umgehen.
    Schwieriger würde es sein unter dem Bett hervorzukommen, ohne dass Siroco etwas davon bemerkte. Ich wagte einen schnellen Blick über den Bettrand und sah, dass er zwar regungslos dalag, aber mit wachen Augen zur Höhlendecke schaute. Amal hatte ihren Kopf auf seine Brust gelegt und ihre Haare verbanden sich mit denen des Mannes zu einer einzigen schwarz-weißen Masse, die ihre Brüste, seinen Oberkörper und einen Teil der Hüfte bedeckte. Rasch schlüpfte ich unter das Bett zurück und sah erstaunt, dass Erich wie ein Schatten Sirocos auf dem Boden lag und an die Bretter über ihm starrte.
    „ Komm zu mir.“, las ich von Erichs Lippen ab.
    Ich weiß nicht, was mich zögern ließ, aber mein Herr musste seinen Wunsch wiederholen, bevor ich ihm endlich nachkam. Ich schlüpfte in seinen Körper und brauchte erst einmal eine Weile, um mich zurechtzufinden.
    Das war immer noch Erichs Körper, so wie ich ihn kannte, aber sein Verstand war darin wie eine Wolke, die einsam am Himmel hing. Da waren andere Wolken um uns herum. Wolken in einer gewaltigen, erschreckenden Leere wie die Schwärze zwischen den Sternen. Es gab da eine dunkle Gewitterwolke, die wie durch einen dünnen Faden, gesponnen aus Blitzen, mit Erich verbunden war und bei der es sich um den Scharif handeln musste. Zumindest war ich fest davon überzeugt. Ganz in unserer Nähe stand eine weiße Nebelbank, die niemals länger als einen Augenblick an einer Stelle verharrte und weiter weg sah ich zwei Wölkchen dicht nebeneinander. Waren das etwa Hund und Karak? Oder der Halken und Sarn? Wenn ich Erich in der Gestalt einer Wolke sah, warum waren die Dämonen dann ebenfalls Wolken? Ich blickte verwirrt an mir selbst herab und begann zu begreifen.
    Ich konnte es nicht glauben, aber ich sah mich selbst in Erichs Körper. Und Erich in meinem, der mir hier in der Gestalt einer kleinen Wolke erschien. Diese Erkenntnis erschreckte mich und ich versuchte Erichs Körper zu verlassen. Aber es gelang mir nicht. Erst als mich die kleine Wolke einhüllte und mir für einen Moment die Sicht nahm, wurde ich wieder aus Erichs Körper geschleudert.
    Ich war starr vor Schrecken, aber Erich lag nur da und lächelte mich an. Was auch immer gerade geschehen war, er fürchtete sich nicht davor. Es schien ihm sogar Spaß zu machen.
    Aber das war noch nicht alles. Nach einigen tiefen Atemzügen drehte er sich auf den Bauch und kroch ohne ein einziges Mal innezuhalten oder sich umzusehen unter dem Bett hervor, mitten durch den schlafenden Harem hindurch und stieg dann ohne zu zögern ins Wasser. Ich schaute mich nach Siroco um, der noch immer mit geöffneten Augen auf dem Bett lag. Er nahm keinerlei Notiz von uns.
    Ich fragte mich, ob mit ihm etwas nicht in Ordnung war, aber dann seufzte er zufrieden und legte die Arme um Amal. Sie öffnete kurz die Augen um ihn anzublicken. Stumm nickten sie sich in gegenseitigem Einverständnis zu. Ich fürchtete, dass das nichts Gutes zu bedeuten hatte. Irgendwann würde Sirr es schaffen sich zu befreien und sie würde nicht gerade glücklich darüber sein, was Amal in der Zwischenzeit mit ihrem Körper angestellt und welche Abmachungen sie getroffen hatte.
    Erich war unterdessen im Wasser angekommen. Er machte einige Schwimmzüge, holte tief Luft und tauchte dann geräuschlos unter. Zielstrebig paddelte er nach unten und wie aus dem Nichts tauchte neben ihm der gewaltige weiße Leib des Fischdämons auf. Zum

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