Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Scharif gewagt. Erich suchte das Schlachtfeld nach Siroco, Sirr und Kern ab, während verirrte Pfeile sein schwarzes Fleisch trafen. Erich hob eine vielfingrige Hand, die von einer schuppigen Schwimmhaut bedeckt war und wischte die störenden Geschosse von seinen froschähnlichen Oberschenkeln. Er wollte einige Schritte gehen, um besser sehen zu können, aber er verlor die Kontrolle und schlug der Länge nach hin, wobei er einen Kamelreiter und zwei Kämpfer der Wanderfalken unter sich begrub. Eine lange schleimige Zunge schoss aus seinem Maul, um sich an einer Mauer festzuklammern und Erich begriff. Er spannte seine Beinmuskeln und machte einen gewaltigen Satz über das Schlachtfeld hinweg. Im Fallen breitete er seine Arme aus und wurde von den Schwimmhäuten zwischen seinen Fingern und unter seinen Armen ein ganzes Stück im Gleitflug über das Schlachtfeld hinweg getragen. Bei seinem nächsten Sprung sah er, dass nicht nur vor der Stadt gekämpft wurde, sondern auch bereits in der Plantage des Scharif. Irgend eine Krankheit schien die kleinen Dämonenbäume befallen zu haben, mit denen Erich unliebsame Bekanntschaft gemacht hatte, denn viele von ihnen standen kahl und verdorrt da. Anders der Scharif. Seine mächtigen Äste peitschten mit der Kraft eines Tornados über den Boden und fegten alles hinweg, was so dumm war sich ihnen in den Weg zu stellen. Der Dämon war so wütend, dass er dabei nicht zwischen Freund und Feind unterschied. An seinen Zweigen hingen sowohl die zerfetzten Reste von Kamelen wie von Menschen und Erich konnte beobachten, wie nahe am Stamm unablässig neue Knochenfrüchte schlüpften, die teilweise hinaus in die Schlacht eilten, teilweise schon nach wenigen Schritten wieder ein Opfer des Baumes wurden.
Aber wo waren Sirr und die anderen? Erich entdeckte sie schließlich ganz in der Nähe des Stamms. Mehrere der Äste hatten sich unentwirrbar miteinander verhakt und ließen so eine schmale Zone, in der der Weg bis fast an den Stamm heran frei war. Siroco, Sirr oder Amal, Kern und einige der Peregrin verteidigten sich verbissen gegen eine Übermacht von Scharifoi, die von allen Seiten auf sie eindrangen. Erich katapultierte sich so hoch er nur konnte in die Lüfte und steuerte dann im Sturzflug auf die in Bedrängnis geratene Truppe zu. Er sah wie Kern auf ihn deutete und hörte, wie er den Namen Chilles rief. Sirr fuhr herum und hob den Speer, den sie in einer Hand hielt, um ihn auf Erich zu werfen, aber Kern hinderte sie daran. Mit ungläubigem Gesichtsausdruck sah Sirr zu, wie Erich von oben auf die Knochenfrüchte stürzte, und zwei von ihnen gegen die Äste des Scharif schleuderte, wo sie zappelnd hängen blieben. Dann peitschte ein weiterer Ast heran und trug Kern mit sich fort. Im Blutrausch, der dem, den er in seinem Heimatdorf erlebt hatte, in nichts nachstand, schlug Erich um sich. Er fühlte, wie die dünnen Häute zwischen seinen Fingerknochen in Fetzen weggerissen wurden und er von allen Seiten Schläge und Stiche abbekam, aber er ignorierte es. Er bemerkte es noch nicht einmal. Immer wieder packte er eine der Knochenfrüchte, schleuderte sie von sich oder sprang mit ihr hoch und warf sie in hohem Bogen gegen die Äste des Scharif, bis eine mächtige Kralle ihn am Unterschenkel traf, seinen Knochen zerschmetterte und seine Muskeln zerriss. Er hatte den anderen eine kurze Verschnaufpause verschafft und sah, wie sie zwischen den nach ihnen schlagenden Armen in Richtung Stamm rannten oder krochen. Aber erneut sauste einer der Äste des Scharif heran und obwohl Erich schwer getroffen war, spannte er ein letztes Mal seine Muskeln und stürzte sich dem Ast entgegen, um ihn aufzuhalten. Er spürte wie sich die Schockwelle des Aufpralls durch seinen ganzen Körper ausbreitete und sich das schmierige Holz des Dämonenbaumes zuckend mit seinem Fleisch verband. Und er spüre den Scharif. Wie eine Umarmung zweier Geister drangen sie ineinander ein und Erichs Gedanken erloschen in einem Ozean aus Hass und Angst. Das Letzte was er sah war Sirr, die nur eine Armeslänge vom Stamm entfernt im Sprung das Ritualmesser mit beiden Händen packte, während die erschlaffenden Zweige des Scharif nach ihr griffen, wie die Tentakel einer Seeanemone.
Dann wurde Erich aus dem Körper der Knochenfrucht geschleudert.
Hinein in eine weitere und sofort wieder heraus. Zehn mal oder öfter erfolgte der alptraumhaft flackernde Wechsel in verschiedene Körper an verschiedene Orte, bis die Welt plötzlich wieder
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