Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
genommen, was in meiner Welt mit mir und den Hürnin geschehen war.
Plötzlich wurde ich von blinder Wut überwältigt. Ich schlug kräftiger mit meinen Flügeln und schwang mich höher zu den Wächtern hinauf. Ich wusste nicht, ob ich vorhatte gegen sie zu kämpfen oder ihnen nun meinen Hass entgegen zu schreien, aber ich hatte ohnehin keine Gelegenheit es herauszufinden. Denn obwohl ich so hoch stieg, dass die Hügel von Drachall zu einem kleinen Ring zusammengeschrumpft waren und das Rot des Himmels über mir zu einem schimmernden Schwarz zu verblassen begann, hatte sich der Abstand zu den Wächtern nicht verändert. Nach wie vor zogen sie unbeeindruckt über mir ihre Kreise.
Meine Wut verrauchte in der dünnen Luft und mit einem Mal merkte ich, wie kräftezehrend der Aufstieg in diese Höhe gewesen war, in der die Luft eisig kalt war. Mit einem letzten hasserfüllten Schrei zu den Wächtern hinauf begann ich den Abstieg zurück über den Talkessel.
Jetzt da meine Aufmerksamkeit nicht mehr von sinnlosen Rachegelüsten getrübt wurde, betrachtete ich das Land unter mir. Nach allem was ich wusste, sah es aus wie eine düstere Version der Berge, Hügel und Flüsse, sie auch in der Welt der Hürnin zu finden waren. Ich erkannte die Draach und die schroffen Felsen, durch die sie sich ihren Weg gebahnt hatte. Doch hier stand der Fluss an manchen Stellen offensichtlich in Flammen und obwohl ich es aus dieser Höhe nicht erkennen konnte, war ich mir sicher, dass an den Ufern des Flusses keine normalen Wälder wuchsen. Irgend etwas wuchs dort, aber Bäume waren es bestimmt nicht. Bäume bewegten sich nicht so. Im Osten sah ich das Meer, das sich scheinbar endlos ausbreitete. Die Küste folgte geraden Bruchlinien, die sich durch das Land zogen, als hätte hier vor langer Zeit ein Volk von Riesen einen Steinbruch betrieben. Parallel zu diesen Bruchlinien reihten sich Inseln auf, wie die Perlen einer zu Boden gefallenen Kette. Manche von ihnen schickten dunklen Rauch in den Himmel, andere waren in blassgelbe Nebelschwaden gehüllt, die sich dick wie Watte auf das Wasser legten. Auch wenn Sudra noch keine Details über die Insel verraten hatte, auf die sich die Hürnin geflüchtet hatten, wusste ich doch, auf welcher die Festung stehen musste. Denn eine der Inseln, die weiter draußen im Meer lagen, war schwarz und so übersät von Kratern und Kerben als wäre sie wiederholt vom Blitz getroffen worden. Sie war zu weit entfernt um weitere Details auszumachen, aber ich glaubte nicht, dass Gilcris dort noch jemanden lebend antreffen würde. Es war eine tote Insel. Ich sagte ihm nichts davon als ich wenig später bei den anderen in Sudras Lager landete, die sich dort inzwischen niedergelassen hatten.
Sudra hatte sich überraschend wohnlich inmitten der Wüste eingerichtet. Sein mit Samtbändern und Perlen verziertes Zelt hatte er neben den Ruinen eines Gebäudes aufgeschlagen, das einst ein Turm gewesen sein mochte. Ein niedriger Ring von gewaltigen Steinblöcken war alles, was davon übrig geblieben war. Wenn man sich die Mühe machte genauer hinzuschauen, konnte man auch noch an anderen Stellen den ein oder anderen Hinweis auf Grundmauern erkennen, aber wer auch immer die Stadt zerstört hatte, er hatte gründliche Arbeit geleistet. Hier war wirklich kein Stein auf dem anderen geblieben.
Hund rannte aufgeregt hechelnd mit heraushängender Zunge herum, um das Zelt und die Metallkisten Sudras eingehend zu beschnüffeln. Da sie anscheinend nichts interessantes enthielten, hob er schließlich sein Bein und markierte einen der Steinblöcke neben dem Zelt.
Währenddessen begann Sudra das Zelt abzubauen und in einer seiner Kisten zu verstauen.
„ Wirst du mit uns kommen? “, wollte Gilcris von Drigg wissen. „ Wenn wir auf der Insel meine Eltern finden, bringst du dich damit wahrscheinlich in Gefahr. Sie sind Hürnin und wer weiß, wie sie auf den Schüler des Dämonenjägers reagieren. “
Der Magier nickte. „Daran habe ich bereits gedacht. Aber ich muss meinen Meister finden und ein Ort ist so gut wie der andere um mit der Suche zu beginnen. Außerdem ist es immer besser in der Gruppe zu reisen, besonders an einem Ort der fremd ist.“
Gilcris wandte sich dem Halken zu. „ Was ist mit dir? Hast du etwas dagegen einzuwenden, dass er mit uns kommt? “
Der Halken zuckte mit den Schultern. „ Die Ahnen haben über ihn geschwiegen. Er ist nicht wichtig. “
Drigg verzog sein Gesicht und ballte seine Hände zu Fäusten,
Weitere Kostenlose Bücher