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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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mindestens mit einer Hundertschaft Wachen zu tun hatten. Die Größe des Arbeiterdorfs im Krater ließ darauf schließen, dass dort vielleicht zweihundert Hürnin untergebracht waren.
    Ich überlegte, was Gilcris wohl gemacht hatte, wenn er tatsächlich vor uns hier angekommen war. Hatte er die Wachen umgangen? Oder hatten sie ihn entdeckt? Hätten sie ihn wirklich überwältigen können? Oder hatte er sich freiwillig hinunter zu den anderen Hürnin bringen lassen? Es war eine von vielen Möglichkeiten, aber es war keine dumme Idee. Der Halken und ich könnten versuchen das Täuschungsmanöver von der Brücke zu wiederholen und hinunter ins Dorf gehen. Spätestens dort würden wir herausbekommen, ob Gilcris schon hier war oder nicht. Wenn wir heimlich über die Kraterwände abstiegen konnten wir die meisten Wachen umgehen, die sich auf die zentrale Rampe und die wenigen kleineren Straßen konzentrierten. Sorgen machte ich mir eigentlich nur über die Blutkolosse, die mit gesenkten Häuptern um das Kraterrund herum standen. Ich hatte Wesen wie sie noch nie zuvor gesehen und auch keine Ahnung, wozu sie in der Lage waren.
    Ich besprach unsere Möglichkeiten mit dem Halken und der war mit allem einverstanden, was ich vorschlug. Er hörte mir noch nicht mal richtig zu. „ Die Worte der Ahnen erfüllen sich. “, sagte er stolz und ließ den Blick über die Blutkolosse schweifen. „ Die Freiheit beginnt mit dem Sieg über den Stein. “ Ich zuckte zusammen. Das waren die Worte, die er auch bei der ersten Begegnung mit Gilcris gebraucht hatte.
    „ Wir sollten erst einmal versuchen unbemerkt an ihnen vorbeizukommen. Ich glaube nicht, dass wir mit einem von ihnen fertig werden, schon gar nicht ohne sämtliche Wachen auf den Plan zu rufen.“
    „ Wir werden gegen sie kämpfen. Sie sind Verräterblut. Vorwärts! “
    Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte sich der Halken bereits in Bewegung gesetzt. Mit ein paar großen Schritten war er aus dem Wald heraus, über den unbewachsenen Streifen Land hinweg und über die erste Kante, die noch aus mit Moos bewachsener Erde bestand. Erst eine Stufe tiefer begann der rote Stein, der hier abgebaut wurde. Hier standen auch die Blutkolosse. Der Halken lief schnurstracks zwischen zwei von ihnen hindurch und ich fuhr vor Schreck zusammen, als sie ihm ihre Köpfe zuwandten und die Augen öffneten. Ich stolperte. Obwohl diese Augen, in denen sich das Licht des Mondes nicht widerspiegelte, nur einen kurzen Moment geöffnet blieben, vermittelten sie mir ein Gefühl von Hilflosigkeit und unendlicher Verzweiflung. Nichts schien einen Sinn zu haben, während diese Augen die Welt in sich aufnahmen. Dann war es vorbei. Ich sah die Abbruchkante auf mich zukommen und stieß einen leisen Schrei aus. Gerade rechtzeitig, damit der Halken ihn hören konnte und mich auffing. Immer noch in Panik starrte ich hinauf zu den Blutkolossen, aber ihre Augen waren wieder geschlossen, ihre Köpfe gesenkt und die Klauenfinger nach wie vor um ihre dünnen Körper geschlungen. Jetzt, da ich sie von vorne und aus der Nähe sehen konnte, flößten sie mir noch mehr Angst ein. Sie rührten eine Erinnerung in mir an, die sich nicht aus meinen eigenen Erfahrungen speiste, sondern aus etwas, das tiefer lag. Es war eine natürliche, ungetrübte Furcht wie die vor einem Waldbrand oder einem Orkan. Ich erinnerte mich daran, was Drigg über die personifizierten Eigenschaften der Welt gesagt hatte. In diesen Wächtern steckten jede Menge unangenehme Eigenschaften dieser Welt und ich hoffte kein zweites Mal ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
    „ Sieh sie nicht an. Sie spiegeln deine Furcht. Lass dich von ihr durchdringen. Sprich dem Halken nach: Angst wird mich durchdringen. “
    Ich klammerte mich mit meinem Blick an das kantige Gesicht des Schwarzen Halken und obwohl ich wusste, das er es war, der mich aufgefangen hatte, konnte ich das Gefühl, in den Armen des Todesengels zu liegen, erst vertreiben als ich die Litanei gegen die Angst zu Ende gesprochen hatte. „Angst wird mich durchdringen und mir damit den Weg zeigen, wenn ich nicht die Augen vor ihr verschließe. Ich kenne meine Angst. Ich werde ihr nicht nachblicken. Sie hat keine Macht über mich.
    „ Gut. “ Sagte der Halken und setzte mich unsanft ab. „ Jetzt weiter. “
    Wir rutschten noch zwei weitere Steilstufen nach unten, bevor wir uns auf den Weg machten den Krater zu umrunden. Auf der Ebene, auf der wir uns nun befanden, wurde gerade Blutstein abgebaut und

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