Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
Vom Netzwerk:
stehen. Voll Furcht, aber fest entschlossen, verließ Sorren die Chaussee und strebte dem Tanjo zu. Sie vernahm ein dumpfes Dröhnen, das wie das Meer im Regensturm klang. Erstarrt blieb sie stehen, ihr Herz hämmerte wild, und sie versuchte herauszufinden, woher der Lärm kam, damit sie eine andere Richtung einschlagen konnte.
    Und während sie noch zögerte, holte der Lärm sie ein. Plötzlich war die Straße voller brüllender Menschen. Sie sah einen Mann mit einem Messer, und ein zweiter versuchte es ihm aus den Händen zu winden. Ihre Kleider waren voll Blut. In einem Türeingang kauerte eine Frau, den Boden einer zerbrochenen Flasche in der Hand.
    »Jalar – Jalar – Jalar – Jalar ...« Der Brüllgesang kam aus dem Süden. »I-sa-ra, I-sa-ra-a-.« Sorren suchte nach einem Winkel, in dem sie sich verstecken konnte. Die Leute vor ihr kamen plötzlich in einem Schwall wieder zurückgelaufen, und sie mußte mitrennen oder sich zertrampeln lassen. Ein schriller Schrei ertönte, als jemand stürzte. Ein Messer zuckte blitzend auf, dann ein zweites. Die Jalar-Wachen versuchten die Menge auf die Isara-Wachen zuzutreiben, und die Menschen setzten sich dagegen zur Wehr. Ringsum in dem Lärm und Gewirr dröhnten die Muschelhörner. Weg von den Straßen! brüllten sie.
    Sorrens Kehle fühlte sich an, als hätte sie Sand geatmet. Sie drückte sich in einen flachen Hauseingang und merkte plötzlich, daß es die gleiche Tür war, an der die Frau mit der abgeschlagenen Flasche gehockt hatte. Sorren blickte sich um, aber die Frau war nirgendwo zu sehen. Eine Frau in der Tunika der Jalarwachen rannte vorbei. Sie hinkte, und Blut strömte ihr das Bein hinab.
    Dann schien die Straße frei zu sein. Zitternd trat Sorren aus dem Türeingang. Aber plötzlich füllte sich die Straße wieder. Menschen ergossen sich in die schmale Schlucht wie Wasser, das in einen Ebbepriel zurückströmt. Sorren drückte sich wieder in den Hauseingang. Eine sich wild wehrende Frau taumelte rücklings aus einem Knäuel kämpfender Leiber, und ihr Kopf prallte vor Sorrens Füßen auf den Boden. Es war ein häßliches breiiges Geräusch. Die Frau blieb reglos liegen. Sorren streckte die Hand aus und berührte den Mund der Frau – sie spürte nichts. Blicklos stierte das fahle Gesicht in den Himmel. Sorren krampfte die Finger in den Rock der Frau und versuchte sie in den schützenden Hauseingang zu ziehen. Der Kopf fiel dumpf auf den Stein.
    Sie ließ die Frau los. In der Straße hallte weiter unten lauter schreiender Singsang wider. Diesmal kam es von Norden. Sie hörte Marschtritte. »Is-men-in, Is-men-in!« Soldaten in Gold und Grau, den Ismeninfarben, sperrten den Ausgang der Straße ab. Sie hielten gezückte Schwerter vor sich und begannen langsam vorzurücken, auf den Tumult zu.
    Sorren drückte sich gegen das harte Holz der Tür. Sie sah die Schwerter heranrücken; die Gesichter der Soldaten waren ausdruckslos wie Stein. Ein Mann versuchte mit seiner Keule einen der Soldaten zu treffen – das Schwert schlitzte ihm die Kehle auf, und er rollte aus dem Weg, aus der breit klaffenden Wunde sprudelte Blut über Brust und Rücken. Ein kleiner dunkelhäutiger Mann schien die Soldaten zu befehligen. Sorren wandte das Gesicht ab, um das blutige Schwert nicht sehen zu müssen, wenn es auf sie zukam. Die Straße dröhnte. Dann war der Trupp an ihr vorbei, und es lagen da nur noch zerfetzte, blutgetränkte Tote herum.
    Sie kroch auf die Straße. Die Muschelhörner waren verstummt; die Stadt lag vollkommen still da. Sie brauchte lange, bis es ihr gelang, die tote Frau in den Türeingang zu ziehen. Ihre Hände, ihre Arme zuckten, und sie weinte. Als sie fertig war, waren ihre Hände rot. Gegenüber ging eine Tür auf, und ein Mann spähte heraus. Als er sie erblickte, schloß er hastig die Tür wieder. Sie fragte sich, wer dort lebte, ob die Bewohner im Haus seien, und ob sie gewußt hatten, daß sie hier war. Sie zwang sich aufzustehen und schleppte sich dann an einem Leichnam vorbei, einem zweiten ... Das Geräusch des Windes, der durch die Straßen fegte, scharf und frisch wie ein frischer Schmerz, schien ihr wie die Stimme der Stadt zu sein, wie ein Weinen ...
     
    Das Lärmen hatte aufgehört. Arré stand am Fenster ihres Salons und wartete, daß die von Paxe ausgeschickten Boten zurückkehrten.
    Ihr Magen knirschte vor Nervosität. Der erste Posten hatte atemlos berichtet, daß die Wachen der Jalars und Ismeninas mit scharfen Schwertern auf den

Weitere Kostenlose Bücher