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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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und gemeinsam zogen sie die Tür nach innen und befestigten sie mit einem Stein, gerade nur so weit, daß ein schlanker Mensch sich durch den Spalt hindurchzuschieben vermochte.
    Vor den Stadtmauern lagerten die Karawanen der Leute, die zu spät eingetroffen waren und keinen Einlaß mehr in die Stadt gefunden hatten. Kochgerüche stiegen von Kohlebecken und Lagerfeuern auf. Ein Streifen grauer Wolken bildete Muster am Horizont, und über ihnen glitzerte der nördliche Sternhimmel. Isaks Atem begann hastiger zu gehen, flacher, als er in die Düsternis hinausblickte.
    »Bind ihn los!« sagte Paxe.
    Kaleb bückte sich, und als er sich wieder aufrichtete, hielt er sein Messer in der Hand. Er zerschnitt Isaks Fesseln mit einer raschen Aufwärtsbewegung. Sie fielen in den Staub, und Isak rieb sich die Handgelenke. »Das ist besser.« Er schob die Goldbörse in die Tasche. Die Münzprüfer hinter ihnen räumten ihre Wechseltische auf. Der Wind drehte und trug den Dunst aus den Stallungen herüber; Paxe hörte den hohen Singsang der Laternenanzünder, die einander zuriefen.
    Isaks Gesicht sah in dem Mischlicht des Mondes und der Fackeln bleich und entschlossen aus. Er zog sich den Hemdkragen fester um den Hals. Dann, als bereite er sich zu einem Tanz, löste er den Haarknoten. Das Haar fiel ihm wie eine schwarze Wolke über die Schultern. »Guten Abend, Hauptmann«, sagte er, und die alte Leichtigkeit schwang wieder in seiner Stimme. Er blickte zum bestirnten Himmel hinauf. »Eine schöne Nacht zum Wandern.«
    Und mit drei großen gleitenden Schritten ging er durch die Mauerluke. Kaleb drückte sich und steckte sein Messer wieder in die Scheide im Stiefel. Der Posten stieß den Stein von der Tür, und die Tür fiel zu.
    Paxe wurde von einem Frösteln überfallen. Kaleb schob ihr den linken Arm unter ihren unversehrten Arm, und so standen sie aneinandergelehnt in der Dunkelheit da. »Eine schöne Nacht zum Wandern«, sagte sie. »Gehen wir nach Hause!«
     
    Sorren erwachte spät. Der Essensgeruch, der aus der Küche die Treppe heraufschlich, bewirkte, daß ihr Magen grollte. Langsam setzte sie sich auf. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wann und wie sie eingeschlafen war. Sie hatte geträumt, doch während sie nun auf das Dunkel hinter den seidengefleckten Fenstern starrte, konnte sie sich an nichts mehr erinnern. Ihre Kleider klebten; sie wand sich aus ihnen heraus und suchte sich im Dunkel saubere Sachen. Sie fragte sich, wer im Haus sonst noch wach sein mochte. Es war seltsam, sich anzuziehen, sich die Haare zu kämmen, nach dem Essen zu schnuppern: an dem einen Tag war soviel geschehen, daß sie fast das Gefühl hatte, alles müsse nun verändert sein.
    Ihre Hand stieß gegen das Kästchen mit den Wahrsagekarten neben dem Bett. Sie streichelte darüber hin; sie war voller Unsicherheit und Fragen. Irgendwo in den Mustern der Karten, wenn sie sie nur richtig auslegen könnte, stand alles geschrieben, was seit dem gestrigen Sonnenaufgang geschehen war; da mußte das Fest zu lesen sein, Isaks Verrat, Paxes Verwundung, das Verbannungsedikt ... Wohin würde Isak sich wenden? Sie rieb mit einem Finger die Kante des Kästchens entlang. Sogar Kadras Tod und die Jungfernfahrt des Schiffes standen vielleicht irgendwo in diesen Karten.
    In der Küche fand sie den Koch und Kaleb vor, die das Steinchenspiel spielten. Es war die Zeit der Spätwache, und sie fragte sich, was Kaleb hier zu suchen habe. Vielleicht war er nur hereingekommen, um sich aufzuwärmen. Toli tranchierte unter den Augen des Kochs eine Gans. »Faule Bettwanze«, sagte er zu ihr.
    »Halt den Rand!« sagte der Koch und verschob ein Steinchen. »Wir sind alle todmüde.«
    Sorren hätte Kaleb gern gefragt, wie das mit Isak gegangen war. Statt dessen sagte sie zu Toli: »Ist Marti Hok noch da?«
    Er schüttelte den Kopf. »Die ist heim. Aber die Hofmeisterin ist im Arbeitszimmer.« Er grinste sie dreckig an.
    »Oh.«
    Kaleb bewegte ein Steinchen und nahm vier der Figuren des Kochs vom Brett. »Spiel!« sagte er. »Sorren, die Hofmeisterin hat eine Nachricht für dich.«
    »Für mich?« Sorren stibitzte sich ein Stück Gansfleisch unter Tolis Messer fort. »Ich danke dir.« Und während sie mit langen Schritten auf das Arbeitszimmer zustrebte, riß sie Stücke Fleisch mit den Zähnen ab.
    Die Tür war geschlossen. Ehe sie anklopfte, leckte sie sich den Fettsaft von den Fingern. Dann pochte sie leise. Arré rief: »Komm rein!« Sie schob den Türschirm zur Seite und

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