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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Sonne auf und blitzten. »Nee«, sagte sie, »es wird da immer so sein, wie es war.«
     
    An den Geruch erinnerte sich Sorren als erstes: den starken betäubenden Duft der Trauben. Sie schnüffelte die Luft ein. »Ich ... ich glaube, wir sind bald da, oder?«
    »Ha, du kennst einen Weinstock, wenn du einen siehst?« sagte Jenith. »Wir sind da.« Sie reckte ihr Kinn Richtung Westen. Sorren kniff die Augen zusammen und spähte in das rötlich gewordene Sonnenlicht. Sie sah tiefe Furchen und hochgewachsene grüne Pflanzen, die sich um hölzerne Spaliere wanden. Die Pflanzen standen in Reihen schräg zur Straße angeordnet, und sie erinnerte sich – und wie sie sich erinnerte in all den Jahren der Abwesenheit! –, daß die Trauben am süßesten reiften, wenn sie die ganze Stärke des Sonnenlichts aus Südwest in sich aufsogen.
    Jenith deutete über ein Feld zu einem Spitzdach, das unter Weinlaub halb versteckt dalag. »Das ist eine Kelter in dem Schuppen da«, sagte sie erklärend.
    Sorren verschob ihren Pack auf den Schultern. »Ist alles das hier Med-Land?«
    Jenith breitete die Hände aus – die Asechgeste für »ja«.
    An einem Einschnitt zwischen den Feldfurchen bogen sie von der Landstraße ab. »Wo gehen wir hin?« fragte Sorren.
    »Meine Töchter suchen«, sagte Jenith. »Die sind jetzt bestimmt bei den Erntetrupps.« Sorren blickte über die stillen Felder. Soweit sie schauen konnte, gab es nur Weinstöcke.
    Sie folgte Jenith durch das Labyrinth der Furchen und Gräben. Die Erde unter ihren Stiefeln war krümelig. Reben streiften ihre Wangen. Sie zwang ihr Gehirn zurück, versuchte sich sieben Jahre weit zurückzuerinnern, an jene Zeit, in der sie so viel kleiner gewesen war ... Ich war damals kleiner als die Rebstöcke, dachte sie. Verschwommen erinnerte sie sich, wie es war, wenn sie an Unkrautstengeln zerrte. Sie hatte einen Strohhut aufgehabt – ihre Hand berührte ihr Haar –, einen Strohhut mit einem blauen Band um die Krone!
    »Da ist das Haus«, sagte Jenith.
    In der Ferne sah Sorren das Schimmern von Zedernplanken. Isaks Haus, dachte sie und verbesserte sich sofort: es war nicht länger Isaks Haus. Plötzlich wurde sie starr vor Aufmerksamkeit und lauschte. Pah-pah, pah-dam-pah. Die Trommeltöne klangen ins Abendlicht hinein. Pah-pah-dam. Ihre Finger pochten den Rhythmus gegen ihre Schenkel. Das waren die Trommeln der Weinleser, die die Nachricht von ihrer Ankunft verbreiteten.
    »Die wer'n schon auf uns warten«, sagte Jenith und deutete vorwärts. »Da lang jetzt.« Sorren folgte ihr, und das Trommeln ging weiter und verschmolz mit dem Wind und dem Summen der Insekten, bis Sorren sich einbildete, das Klopfen durch die Sohlen ihrer Stiefel spüren zu können.
    Plötzlich nahmen die Rebstöcke ein Ende. Sie befanden sich in einer Lichtung für die Weinleser: ein kleiner Kreis von Zelten und Bretterhütten. Der Rauch von einem Feuer wehte zu ihnen her, es roch nach gerösteten Maiskolben. Im Halbkreis hockten Leute ums Feuer. Sorren folgte Jenith langsam zu ihnen hinüber. Das Trommeln hatte aufgehört.
    »Nun komm schon!« Das war Jenith, die sie zur Eile mahnte.
    »Ich komme«, antwortete Sorren. Sie warf einen Blick auf die Bretterhütten. Aus den schmalen Türeingängen beobachteten sie dunkelhäutige Gestalten. Viele der Frauen trugen goldene Ringe in den Ohren. Ihre Gesichter waren verschlossen, geheimnisvoll, gleichmütig, doch Sorren spürte ihre Gedanken, als verfüge sie über die Gabe der Wahrheitsfinder ... Fremdling, sagten sie zu ihr. Du bist eine Fremde, nicht eine von uns ...
    Keck reckte Sorren die Schultern und marschierte auf die Feuerstelle zu.
    Ein Weib hob die Hand. »Ich bin Nado«, sagte sie. »Sei uns willkommen!«
    »Ich danke dir«, antwortete Sorren und setzte sich neben Jenith nieder. Selbst im Sitzen war sie noch einen halben Kopf größer als irgendeiner im ganzen Kreis.
    Nado sprach: »Jenith sagt, du warst einst eine von den Weinfeldern?«
    Sorren ließ ihren Pack von den Schultern gleiten. Sie stellte ein Bein auf und bohrte die Knöchel in die schmerzende Wade. »Das war ich.«
    »Du bist hier geboren?«
    »Ja. Meine Mutter war Weinleserin. Vor vier Jahren ist sie gestorben. Und in den letzten sieben Jahren war ich Leibeigene bei Arré Med in der Stadt.«
    Nado klatschte weich in die Hände. »Ai, dann bist du das Kind. Jetzt erinner' ich mich. Ich hab' deine Mutter gekannt. Du siehst ihr ähnlich, bloß bist du größer.«
    »Du hast sie – gut gekannt?«

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