Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
sich von ihrer Überraschung bereits wieder erholt und liefen mit gezückten Waffen auf sie zu. Die Männer trugen das Netz bei sich. Gemeinsam hetzten die beiden die Straße zurück, aus der Kai gekommen war. Kai ließ sich von Fi willenlos in eine Seitengasse schleifen. Nur einmal wandte sich der Elf zu den Verfolgern um und schien sich auf etwas zu konzentrieren. Kai konnte hinter sich das laute Fauchen zweier Katzen vernehmen, die einen der Verfolger unerwartet ansprangen. Ein saftiger Fluch ertönte.
»Tut mir Leid, Samtpfoten«, wisperte der Elf und eilte weiter.
Immer tiefer drangen sie in das Gewirr von Gassen vor, doch es gelang ihnen nicht, die Kerle abzuschütteln.
»Fi, ich kann nicht mehr«, stöhnte Kai. »Das ... das vorhin hat mich all meine Kräfte gekostet.«
Wie durch einen Schleier nahm er wahr, dass ihn der Elf eine Treppe hinauf schleppte und neben einer schimmeligen Hauswand ablegte.
»Hörst du mich, Kai?«, wisperte Fi.
Kai nickte entkräftet.
»Das sind Kopfgeldjäger. Wir müssen uns trennen. Ich lenke sie ab. Bleib hier, bis ich dich wieder abhole, verstanden?«
Kai nickte abermals und spürte, wie ihm Fi ein langes Jagdmesser in die Hände drückte. »Nur für den Notfall, klar ?« Fi sprang wieder auf die Straße und rannte los, wobei er so viel Lärm wie möglich machte. Nur Augenblicke später trampelten die vier Verfolger an Kais Versteck vorbei.
Kai schaffte es nicht einmal mehr, den Kopf zu heben. Alles um ihn herum schien sich zu drehen, dann umfing ihn Dunkelheit.
Der Schattenmarkt
Als Kai wieder zu sich kam, war es Nacht. Der Mond war von einem blauweißen Hof umgeben und sein Silberlicht erfüll te Dächer und Fassaden mit kaltem Glanz. Schmerzhaft wurde sich Kai der harten Stufen in seinem Rücken bewusst. Wie lange lag er hier bereits ? In seinen Händen hielt er noch immer Fis Messer. Der Griff bestand aus Perlmutt und hatte die Form eines Delfins. Kai steckte die Klinge in seinen Gürtel. Leider war die Erinnerung an den Überfall und die wilde Flucht durch die Straßen lückenhaft. Doch er spürte noch immer ein seltsames Prickeln, als er an den Einsatz seiner Zauberkräfte zurückdachte.
Er musste fort von hier. Was hatte Fi noch gesagt? Kai konnte sich schwach daran erinnern, dass er ihre Verfolger ablenken wollte. Doch das musste inzwischen Stunden her sein. Hoffentlich war dem Elfen nichts geschehen.
Kai erhob sich und kämpfte ein leichtes Schwindelgefühl nieder. Ohne Zweifel, das wilde Tier in ihm lauerte nur darauf, wieder hervorzubrechen. Eine wichtige Lehre hatte er immerhin aus alledem gezogen: Er musste seine Gefühle besser kontrollieren. Er durfte Wut und Zorn nicht mehr freien Lauf lassen. Die verzehrenden Kräfte in ihm benutzten sie jedes Mal als Tor, ihn zu überwältigen.
Kai schaute sich um. Es war totenstill. In den schmutzigen Lachen spiegelte sich das Mondlicht und nicht weit von Kai entfernt war eine Ratte zu sehen, die an etwas nagte. Bloß weg von hier.
Das enge Gassengewirr, das er nun durchstreifte, war an vielen Stellen überbaut; mancherorts zweigten verschmutzte Höfe ab, in denen Müll lag und Katzen balgten. Einstöckige Buden wechselten sich mit schmalen Häusern ab, deren hohe Giebel sich eng aneinander drängten. Dazwischen stank es nach Moder und Abfällen. Das ganze Viertel zeugte von der Armut seiner Bewohner. Zu allem Unglück schoben sich hin und wieder dunkle Wolken vor den Mond, sodass die Gassen in tiefer Finsternis lagen. Erstmals fiel Kai auf, dass die nächtliche Dunkelheit in Hammaburg nicht so durchdringend war, wie er es aus Lychtermoor kannte. Vielmehr schien der Himmel weiter im Norden in einem schwachen, pastellfarbenen Licht zu glühen. Ein fernes Feuer? Kai hatte dafür keine Erklärung. Sehr seltsam.
Plötzlich hörte er leise Geräusche. Am Ende einer der Gassen war ein bläulicher Lichtschein auszumachen. Kai stieg vorsichtig über den Kadaver eines Hundes und riss entgeistert die Augen auf.
Vor ihm lag ein verwinkelter Platz, von dem beständiges Raunen und Wispern drang. Zwischen schäbigen Marktständen, auf denen geöffnete Truhen, Säcke und glitzernde Gegenstände lagen, huschten tief verhüllte Gestalten umher, die sich flüsternd unterhielten. Einige von ihnen hielten Laternen in den Händen, in denen es blau flackerte. Immer wieder wechselte ein Geldbeutel den Besitzer.
Der Platz grenzte an einen Kanal, an dem Boote festgemacht hatten, in denen schemenhaft Männer zu sehen waren, die
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