Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
schwarze Perle in der brodelnden Flüssigkeit des Glaskolbens auf- und abhüpfte. Das Gefäß stand auf einem eisernen Dreifuß, unter den Magister Eulertin einen großen Brocken Harz gelegt hatte. Er diente als Nahrung für das Irrlicht aus Kais Zimmer. Das Lohemännchen hatte sich schon seit einer halben Stunde an dem Brocken festgebissen und brachte mit seiner Hitze die Flüssigkeit im Kolben zum Kochen.
Kai fand das äußerst interessant. Es gab also noch andere Materialien, die Irrlichter anzogen. Doch gebärdete sich die Flammengestalt auf dem Harzklumpen bei weitem nicht so verrückt wie auf Bernstein.
Nach ihrer Rückkehr ins Haus des Zauberers hatte der kleine Magister zwei ganze Tage damit zugebracht, die Bücher seiner Bibliothek zu konsultieren.
Bei alledem tat eine gewisse Eile Not. Die Windgeister hatten es sich nicht nehmen lassen, ihnen einen Wächter an die Seite zu stellen, der auf das Artefakt Acht geben sollte. Die Flaute hatte sie in ihren luftigen Armen zurück nach Hammaburg gebracht und hielt sich nun irgendwo über der Stadt auf. Selbstverständlich wusste keiner der Hammaburger Bürger, warum seit zwei Tagen eine völlig unerklärliche Windstille über der Stadt lag, die verhinderte, dass auch nur einer der stolzen Segler auslaufen konnte. Hätten sie es gewusst, nun, Kai war sich sicher, dass die aufgebrachten Krämer Eulertin und ihn mit Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt hätten. Die Einzigen, die in diesen Tagen gute Geschäfte machten, waren die Windmacher.
Immerhin, Magister Eulertin hatte mittlerweile herausgefunden, was zu tun war. Man musste das Herz der nachtblauen Stille zu gleichen Teilen den vier Elementen aussetzen, um seine Heilwirkung zu entfalten. Aus diesem Grund hatte Kai schon vor dem Morgengrauen damit begonnen, auf einer der Wiesen vor der Stadt einen Krug mit Tauwasser zu sammeln. Morgentau bestand der alchemistischen Lehre zurfolge zu gleichen Teilen aus den Elementen Luft und Wasser. Das Element Feuer indes wurde durch das Irrlicht repräsentiert. Irrlichter, so hatte Kai inzwischen erfahren, waren in Wahrheit mindere Geister dieses Elements.
Es fehlte jetzt nur noch die Erde.
In diesem Moment stob Kriwa zum Fenster herein. Draußen war bereits die Sonne untergegangen und so brachte sie kühle Nachtluft mit sich. In ihrem Schnabel hielt die Möwe ein grau glitzerndes Säckchen, in dem sich dunkle Brocken abzeichneten. Wie schon die Male zuvor landete der Vogel auf dem gusseisernen Buchständer und legte die Last auf den aufgeschlagenen Seiten des Codex ab. Kai blinzelte. Irrte er sich oder bestand der Beutel aus Spinnenseide ?
»Da ist sie«, krächzte Kriwa dem Magister zu. »Bester Humus aus den Harzenen Bergen. Amabilia lässt dich übrigens herzlich grüßen, Thadäus. Sie hätte im Austausch gern etwas Wolkengewebe und sie würde sich freuen, wenn du mal wieder zu Besuch kämest.« »Soso, tut sie das, ähem«, murmelte der Däumlingszauberer und hüstelte. Er schwebte auf seinem Gänsekiel zu dem Beutel und musterte das Gebrachte zufrieden. »Bestelle Amabilia, dass ich ihr das Gewebe noch diese Woche schicken werde. Und, äh, ich werde gern kommen, sobald ich etwas Zeit habe. Ähem.«
Kai musterte den Zauberer neugierig.
»Ach wirklich? Nun, ich bin jederzeit bereit, Euch zu ihr zu fliegen. Jederzeit!«, krähte die Möwe und putzte sich mit einem spöttischen Seitenblick das Gefieder. »Na ja. Wie gesagt. Im Moment bin ich natürlich etwas beschäftigt ...«
»Diese Amabilia ist eine gute Bekannte von Euch?«, fragte Kai bemüht unauffällig. »Äh, ja«, meinte Eulertin unwirsch. »Eine höchst erstaunliche Zauberin. Eine der besten. Der macht so schnell niemand etwas vor. Däumling, wie ich. Ja. Ähem. Dann hätten wir jetzt ja alles zusammen.«
»Was geschieht nun mit dieser Erde?«, wollte Kai wissen.
»Wir werden die Herzflüssigkeit darin filtern und sie auf diese Weise mit der letzten Elementarkomponente veredeln«, brummte der Magister wieder sehr geschäftig. Dann wies er Kai an, den Beutel aus Spinnenseide in einen vorbereiteten Trichter zu legen, der bereits in ein Stativ gespannt war.
»Da fällt mir ein, dass du mir immer noch nicht berichtet hast, wie du am Ende die Richtige unter den drei Muscheln ausgewählt hast.« Der Däumling warf Kai einen Seitenblick zu, während er mit seinen Zauberkräften eine Phiole aus geschliffenem Kristall anhob und direkt unter dem Trichter absetzte.
Kai musste grinsen. »Ganz einfach, ich
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