Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
Schnabel und der winzigen Fi auf dem Rücken flog sie davon.
»Nivel, ich gehe davon aus, dass du dich alleine um die Kutsche kümmern kannst?« »Ihr erinnert Euch noch an meinen Namen, hochverehrter Zunftmeister?«, dröhnte es begeistert vom Kutschbock. »Das ehrt mich zutiefst. Aber natürlich. Macht Euch keine Gedanken. Ich werde hier bis zum Abflug auf Euch warten.«
»Wer könnte Nivel und Levin schon vergessen«, murmelte der Däumling leise. »Die Feenkönigin hat ganz ohne Zweifel einen ausgeprägten Sinn für Humor.« »Ist Dystariel auch hier?«, fragte Kai.
»Dystariel?« Ein Lächeln umspielte Eulertins Mundwinkel. »Nein. Dystariel ist nicht mit mir mitgekommen. Sie war die ganze Zeit über in Hammaburg und hat auf dich aufgepasst. Du hast doch wohl nicht wirklich geglaubt, dass ich die letzte Hoffnung der freien Reiche während meiner Abreise unbewacht lasse? Ich schätze, es wird sie nicht sonderlich erfreut haben, dass du ohne sie abgereist bist. Bei Sonnenlicht kann sie dir natürlich nicht folgen. Ich denke, wir werden ihr heute Nacht wiederbegegnen.« »Was passiert eigentlich mit den Gargylen, wenn sie dem Licht der Sonne ausgesetzt sind?«, wollte Kai wissen.
»Sie erstarren«, antwortete der Magister. »Nur dauert es länger als eine Nacht, bis sie sich wieder bewegen können. Unter freiem Himmel kann das unter Umständen bedeuten, dass sie für immer bewegungslos bleiben, da das Sonnenlicht ihrer Rückverwandlung stets zuvorkommt. So, und nun zu uns beiden.« Magister Eulertin gab den Sperberfliegern am Himmel ein Zeichen herunterzukommen. »Allzu viele Verkleinerungstränke haben wir hier leider nicht vorrätig. Sperberlingen bekommt nicht so oft Besuch vom großen Volk. Es ist sehr aufwendig und kompliziert, das Zauberelixier auf einen Tropfen zu konzentrieren. Eine Kunst, die nicht einmal ich beherrsche.« Eulertin reichte Kai einen ausgehöhlten Kürbiskern, der am oberen Ende mit Bienenwachs versiegelt war und wie eine Feldflasche über einen zierlichen Trageriemen aus geflochtenen Gräsern verfügte. »Hebe seine Wirkung also nicht leichtfertig auf, solange du dich in Sperberlingen aufhältst.« Kai nickte, betrachtete das winzige Gefäß und zerbiss es kurzerhand. Es war wie immer. Obwohl die Kürbiskernflasche nur eine geringe Menge des Elixiers enthielt, machte sich in seinem Mund wieder ein unangenehmer Geschmack breit. Im nächsten Augenblick jagte ein schmerzhaftes Ziehen und Reißen durch seinen Körper und kurz darauf wuchs die Kutsche vor ihm zu einem gewaltigen Berg empor, während die Gräser zu seinen Füßen mehr und mehr die Ausmaße von Baumstämmen annahmen. Viel Zeit zum Wundern blieb Kai nicht, denn im nächsten Moment fiel auf ihn der Schatten eines Sperbers, und er fühlte sich von scharfen Krallen gepackt und emporgehoben. Magister Eulertin hingegen nahm weitaus eleganter hinter einem der beiden anderen Sperberreiter Platz. Die Raubvögel schraubten sich unter spitzen Schreien in die Höhe und sausten in Windeseile den Bach in Richtung Wald entlang. Der unbequeme Flug dauerte glücklicherweise nicht lange. Ihr Ziel waren fünf Nester inmitten des dunkel grünen Fichtendickichts, die in sicherer Höhe über dem Waldboden lagen. Kai erkannte, dass zwischen den Nestern hölzerne Stege und Hängebrücken angebracht waren, die zu einer gut getarnten Plattform im Schatten eines Nadelzweigs führten. Bevor er sich weitere Gedanken darüber machen konnte, setzte ihn der Sperber im Nest ab und gab ihm sogleich einen unsanften Stoß. Kai rappelte sich auf und kletterte so schnell es ging am Rand des Nests nach oben, bis er einen der Stege erreichte. Verflucht, hier oben im Wipfel des Baumes war es verdammt windig. Er sah sich um. Der Steg war aus Holzrinde gefertigt, hatte ein Geländer aus geflochtenem Reisig und führte zu einer der Hängebrücken, die hinüber zur Plattform reichten. Kai wollte gerade weitergehen, als ihn ein heftiges Zittern und Beben des Astes zum Taumeln brachte. Panisch umklammerte er das Reisiggeländer und konnte gerade noch seinen Rucksack festhalten. Der Greifvogel hinter ihm hatte sich soeben in einem gewaltigen Horst niedergelassen.
Schnell machte Kai, dass er die Hängebrücke erreichte und eilte auf dem schwankenden Untergrund hinüber zur Plattform. Doch das mulmige Gefühl wollte angesichts des schier endlosen Abgrundes unter ihm nicht weichen. Auf der anderen Seite angelangt, wurde er bereits von einer kurzhaarigen Däumlingsfrau in
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