Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
wirbelten sogleich als Flammenglut hinüber zu dem Stein der Elemente. Doch die Hitze reichte aus, das Mondsilber zum Schmelzen zu bringen. »Jetzt!«, stieß Kai hervor.
Quiiiitsss ergriff den Donnerkeil mit seinen Geisterkräften und zog ihn aus der Silberschlacke. Sogleich erschütterte ein mächtiges Beben den Thronsaal. Die Wände und Pfeiler erzitterten und hinter der Statue gingen einige Scheiben zu Bruch. Die ganze Festung sackte plötzlich in der Luft ab. Kai ließ panisch den Grundstein aus dem Zunfthaus fallen und das flüssige Mondsilber schloss sich nun um ihn. Sogleich ließ das Beben nach, bis nur noch ein leichtes Zittern zu spüren war.
»Quiiiitsss?«
Es dauerte etwas, doch dann erschien sein vertrautes Kürbisgesicht auf der dunklen Spiegelfläche hinter dem Thron. Quiiiitsss schenkte ihm ein angestrengtes Spinnweblächeln.
»Ich bin noch immer da, mein junger Herr«, raunte es von den Saalwänden. »Es ist fantastisch.« Weiter hinten klappten die Portaltüren wild auf und zu. »Ich versuche mich in dieser Festung nur gerade etwas zurechtzufinden. Tornadors Wille ist noch immer überall zu spüren, doch er wirkt jetzt eher wie ein laues Lüftchen, das sich ängstlich meinem Willen fügt.«
»Dann beeil dich mit deinem Zurechtfinden und sieh zu, dass du die Festung nach Süden bringst.« Kai kniete wieder neben dem Leichnam Dystariels nieder. Er wusste, was sie jetzt gesagt hätte. »Wir haben eine Schlacht zu schlagen.«
Die Schlacht am Rhyn
Kai kniete schweißüberströmt neben dem Stein der Elemente und betrachtete den Schattenkelch. Es hatte einige Stunden gedauert, bis er verstanden hatte, wie sich die Kräfte des Lapis elementarum nutzen ließen. Doch unter Quiiiitsss Anleitung und mit fast übermenschlicher Willensanstrengung war es ihm schließlich gelungen, die in dem Kristall eingeschlossenen Elementarkräfte auf den Schattenkelch zu fokussieren. Der Sprung, der sich über den dunklen Feenkristall bis hinauf zum Deckel gezogen hatte, war nicht mehr zu sehen. Dafür strahlte der unheimliche Pokal, der seinem Opfer Schatten und Zauberkräfte zu rauben vermochte, nun wieder eine kalte Macht aus. Kai erhob sich und unterdrückte ein leichtes Würgegefühl. Ihm war schlecht. Beide Artefakte waren von verderbten Kräften erfüllt, und er fühlte sich, als habe er Wasser aus einer fauligen Quelle getrunken.
Kai atmete tief ein. Im Thronsaal der Wolkenfestung stand vor ihm die zerstörte Statue Morgoyas. Olitrax hockte auf dem abgebrochenen Arm des Standbilds und sah ihn unverwandt an. »Alles in Ordnung«, flüsterte Kai.
Mühsam verstaute er den Schattenkelch in seinem Gepäck und dachte wieder voller Bitternis daran, welche Opfer es gekostet hatte, seine Kräfte neu zu entfachen. Plötzlich fiel ihm auf, dass sich das Zittern in den Wänden des Thronsaals zu einem lauten Beben gesteigert hatte. Beständig rumpelte es irgendwo. Aus der Panoramawand lösten sich weitere Scheiben, die klirrend zu Boden fielen. Ein kühler Luftzug strich über sein erhitztes Gesicht. »Sind wir noch auf Kurs?«, rief er in Richtung Knochenspiegel.
»Ja, junger Herr«, geisterte es angestrengt von den Saalwänden. »Wir überfliegen bereits den Kontinent und ich halte mich streng an den Verlauf des Rhyn. Aber ich weiß nicht, wie lange ich noch die Kontrolle über die Wolkenfestung behalte. Ich gestehe es nur ungern, aber ich bin nicht Tornador, sondern nur ein gewöhnlicher Poltergeist. Rund um uns herum brechen bereits ganze Teile der Festung ab.«
»Halte noch ein wenig aus, Quiiiitsss.«
Kai ging auf den Leichnam Dystariels zu, über den er seinen Umhang gebreitet hatte. Aufgewühlt betrachtete er noch einmal das Antlitz seiner toten Mutter. Dann sah er hinüber zum Leichnam seines Vaters. Er war ebenso ein Opfer Morgoyas gewesen, wie Dystariel es war. Unwillkürlich musste Kai wieder an ihre Worte zurückdenken. Ein Drachenherz schlägt auch in deiner Brust...
Er wusste, was Dystariel damit gemeint hatte. In seinen Adern strömte das Blut der Drachenherz'schen Königslinie. Abgesehen von Morgoya war er wahrscheinlich der letzte legitime Erbe des albionschen Königshauses. Doch die Erkenntnis ließ ihn seltsam unberührt. Im Moment hatte er Wichtigeres zu tun.
»Junger Herr«, ächzte es. »Colona liegt jetzt vor uns. Aber der Anblick wird Euch nicht gefallen.«
Kai lief zu den großen Panoramafenstern und starrte hinaus. Noch immer bebte das Wolkenschloss, und er konnte aus den Augenwinkeln
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