Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
eine gute halbe Stunde folgen, dann erreichen wir einen Gasthof«, rief sie ihm zu. »Es handelt sich um den Gnomenhof. Er ist an einer Kreuzung gelegen. Meine Hexenschwestern und ich haben ausgemacht, uns dort zu treffen. Fi erwartet uns ebenfalls am vereinbarten Treffpunkt.«
Kai wurde warm ums Herz, als die Däumlingshexe die Elfe erwähnte. Endlich hatte er wirklich das Gefühl, die Freiheit wiedererlangt zu haben.
»Ich hab mich noch gar nicht für meine Rettung bedankt.«
Amabilia kniff ihn sanft in die Seite und lachte. »Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass wir dich zurücklassen, oder?«
Kai wusste, dass ihre Unbekümmertheit aufgesetzt war. Das grausame Schicksal ihrer Hexenschwestern und die Gefahr, in der Eulertin schwebte, mussten Amabilia sehr nahegehen. Doch leider ließ sie ihn noch immer im Ungewissen darüber, was es mit diesem Riesen auf sich hatte. Kai beugte sich daher zu dem geschuppten Hals des kleinen Drachen hinunter und tätschelte ihn.
»Hast du Amabilia gehört, Olitrax? Beeile dich, wir werden erwartet.« Olitrax verdoppelte seine Anstrengungen und bald erblickte Kai in der Ferne ein mit Laternen hell beleuchtetes Gebäude mit Reetdach und angrenzenden Stallungen. Das Anwesen war von weit über einem Dutzend verschiedener Kutschen umgeben. Männer und Frauen luden Gepäckstücke ab, Pferdeknechte pflockten Kaltblüter an und auf einer nahen Koppel drängte sich eine bunt gemischte Herde Schafe und Rinder. »Der Gnomenhof ist mit Flüchtlingen überfüllt«, kommentierte Amabilia das Geschehen unter ihnen traurig. »Wer kann, der flieht vor Morgoyas Horden nach Süden. Sag Olitrax, dass er die große Eiche da hinten anfliegen soll. Ich habe mit Fi vereinbart, dass wir uns dort treffen.«
Kai fasste einen großen Baum mit weit ausladenden Ästen ins Auge, der etwas abseits der Herberge auf einem Hügel stand und gab Olitrax das Kommando, zu ihm hinabzugleiten. Schon bald konnte er im Schatten des dicken Stamms eine schlanke Gestalt mit hellen Haaren erkennen, die aufsprang, kaum dass sie den Flügelschlag des jungen Drachen vernahm.
Olitrax setzte auf einer Wurzel direkt neben Fi auf und Kai ließ sich ungestüm zu Boden gleiten. Kurzerhand schüttelte er die Wirkung des Verkleinerungstranks ab und gewann wieder seine normale Größe zurück.
»Kai!« Fi strahlte und stürmte auf ihn zu. Bevor er etwas sagen konnte, umarmte sie ihn heftig. »Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Sorgen wir uns um dich gemacht haben. Ich bin so froh, dass du wiederbei uns bist«, sprudelte es aufgeregt aus ihr heraus. Dann deutete sie auf Kais Rucksack. »Ich habe auch dein Gepäck in Sicherheit gebracht.«
Kai warf einen erleichterten Blick auf seinen Rucksack. Immerhin befand sich darin noch immer jene geheimnisvolle Dschinnenbüste, die ihm noch eine Antwort schuldig war.
»Außerdem hatte ich selbst schon Befreiungspläne für dich geschmiedet, aber Amabilia wollte nicht, dass ich mit ihr und Olitrax mitkomme. Wenn es darauf angekommen wäre, dann hätte ich es natürlich auch alleine versucht. Oder mit Dystariel. Ich ...« »Ist ja gut, Kindchen.« Amabilia deutete mit ihrem Zauberstab zu einem der Äste des Baumes und senkte diesen auf magische Weise zu sich herab. Sie ließ sich darauf nieder und der Ast näherte sich knarrend Kais Schulter.
Fi ließ Kai los und er sah sie verlegen an.
»Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht«, murmelte er und war froh, dass die Dunkelheit verbarg, dass er rot geworden war. Fi hätte ihn gern noch etwas länger umarmen dürfen.
Doch jetzt kletterte Amabilia auf seine Schulter und ließ den Ast zurückschnellen. »Fi, hast du meine Schwestern schon gesehen?«
»Ehrlich gesagt bin ich noch nicht im Gasthaus gewesen«, antwortete Fi beschämt. »Es ist so voll... und ich wollte hier lieber auf euch warten. Hast du die Nachricht für Dystariel hinterlegt?«
»Ja, hab ich.« Amabilia hielt kurz inne. »Aber auch wenn sie Thadäus' Vertrauen genießt, sehe ich es ehrlich gesagt nicht so gerne, wenn sich ausgerechnet eine Gargyle in unserer Nähe aufhält.«
»Du tust ihr Unrecht«, meinte Kai. »Sie mag zwar gewöhnungsbedürftig sein, aber sie war uns in all der Zeit eine treue Verbündete. Denk daran: Sie war einmal ein Mensch, bevor sie von Morgoya zu dem gemacht wurde, was sie heute ist.«
Kai musste wieder daran denken, was ihm Gilraen über Dystariel berichtet hatte. Sie war nicht irgendein Mensch
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