Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
sieht anders aus. Etwa wenn ihr versucht wegzulaufen. Ihr aber steht hier vor mir und achtet noch immer getreu darauf, dass sich niemand dem Gewölbe nähert. Oder hat euch von Falkenhain ausdrücklich verboten, dass sich jemand die Mondsilberreife an euren Hälsen ansieht?«
»Nein«, kam es zögernd über die Lippen Ragoschs.
»Seht ihr, genau das werde ich jetzt tun. Und ich werde nichts machen, was gegen eure Befehle verstößt.«
Kai stand nun direkt zwischen den beiden Trollen und sah zu ihren breiten Hälsen mit den Sklavenkragen auf. Die Trolle atmeten stoßweise, und Kai konnte ihre Anspannung spüren.
Bei den Verschlüssen der Artefakte handelte es sich wie erwartet um die dünnste Stelle am Reif. Sie hatten die Form ineinander verschränkter Dornen und wirkten wie aus einem Guss. Kai war klar, dass er eigentlich einen magischen Spruch oder eine Zaubergeste benötigte, um sie zu öffnen. Es gab da allerdings noch eine andere Möglichkeit - und die stand nur einem Feuermagier offen. Er konnte das Mondsilber zum Schmelzen bringen.
Kai sammelte sich, fokussierte alle ihm verbliebenen Kräfte und berührte die beiden Verschlüsse mit Finger und Zauberstab. Dann beschwor er elementares Feuer herauf. Die magische Energie pulste in einem kurzen, aber gewaltigen Stoß durch seinen Körper und die Mondsilberverschlüsse glühten hell auf. Laut zischte es und es roch nach verbranntem Fleisch.
Die beiden Trolle brüllten vor Schmerz, stießen Kai grob zurück und zerrten an den heißen Mondsilberreifen. Klirrend fielen sie zu Boden.
Kai bekam all das nur noch am Rande mit. Er zitterte und lag völlig erschöpft am Boden.
»Meine Güte, Kai! Alles in Ordnung?« Hinter dem Bottich stürmte Amabilia heran. Schwer atmend wandte ihr Kai seinen Kopf zu, als er die beiden Schatten bemerkte, die sich drohend über ihm aufbauten.
»Wagt es nicht, ihn anzurühren, oder ihr bekommt es mit mir zu tun!«, keifte die Däumlingshexe mit ihrer Piepsstimme.
Doch das hatten die beiden Trolle auch nicht vor. In ihren groben Gesichtern spiegelten sich Unglauben, Erleichterung und Wut, in die sich beim Anblick Amabilias auch noch Verblüffung mischte.
Ragosch packte Kai sanft an den Schultern, stellte ihn auf und beäugte ihn. »Du uns wirklich machen frei.«
»Natürlich, habt ihr daran gezweifelt?« Kai musste sich am Arm des Trolls festhalten, um nicht wieder hinzufallen. »Niemand hat ein derart unwürdiges Dasein verdient. Ich weiß, wovon ich spreche. Nehmt die Artefakte an euch und legt sie euch wieder um. Sie können euch jetzt nichts mehr tun. Und dann nutzt die Dunkelheit und verschwindet aus dem Gebäude. Wenn euch jemand fragt, sagt einfach, ihr folgt einem Befehl des Erzmagus.«
Ragosch und Hrundar warfen sich einen knappen Blick zu. »Wir euch sollen mitnehmen ?«
»Nein«, erhob Amabilia wieder das Wort. »Wir nehmen einen anderen Weg. An seinem Ende erwartet uns schon sehnsüchtig ein Drache.«
Die Trolle sahen sie beeindruckt an. »Drache? Dann du wirklich Letzte Flamme?« Kai winkte ab und nutzte seinen Zauberstab als Stütze. »Unwichtig. Und nun beeilt euch. Ihr seid jetzt frei.«
Die beiden Hünen schnaubten, sammelten die Sklavenkragen mit einem vernichtenden Blick auf und wandten sich zur Tür. Kai nahm endlich das winzige Kürbiskernfläschchen mit dem Verkleinerungstrank entgegen und wollte gerade draufbeißen, als sich Ragosch noch einmal zu ihm umdrehte. »Letzte Flamme. Wenn dein Meister so wie du, dann du ihn retten. Böse Zauberer ihn wollen bringen zu Thraak.«
Kai hielt inne und sah wieder auf.
»Thraak?« Irgendwann hatte er diesen Namen schon einmal gehört. »Wer ist das, dieser Thraak?« »Ein Riese!«, wisperte Amabilia entsetzt.
Der Gnomenhof
Der Flugwind rüttelte heftig an Kais Kleidung. Gemeinsam mit Amabilia saß er auf dem Rücken von Olitrax und unter dem kräftigen Schlag der Drachenschwingen ließ en sie das spärlich beleuchtete Dächermeer Colonas hinter sich. Zügig setzten sie über die glitzernden Fluten des Flusses Rhyn hinweg, maßen die am Vorabend noch so heftig umkämpfte Brücke ein letztes Mal mit Blicken und flogen dann weiter der bewaldeten Hügellandschaft im Osten entgegen.
Amabilia, die hinter Kai saß und sich an seinem Gewand festklammerte, deutete auf die breite Handelsstraße, die jenseits des Brückenkastells begann. Im schwachen Licht der Sterne sah sie wie ein dunkles Band aus, das sich durch Wald und Wiesen schlängelte. »Wir müssen der Straße
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