Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
Versteck herangeschlichen.
Als Kai Fi endlich einholte, lugte diese bereits zwischen einigen Farnen hindurch. »Da ist sie, die Ruine der Kerkerburg!«, murmelte sie.
Kai folgte ihrem Blick. Inmitten der Talsenke thronte ein schwarzes Felsmassiv, auf dem sich schroff und unheilvoll die Silhouette einer düsteren Ruine im fahlen Mondschein abzeichnete. Bei dem Bauwerk handelte es sich um eine alte Zwingfeste mit hohen Türmen und Mauern, die sich von dem erhöhten Standpunkt aus gut verteidigen ließ. Doch heute war von der einstigen Pracht nicht mehr viel übrig. Die Burg lag verfallen vor ihnen. Der mächtige Bergfried war halb in sich zusammengestürzt, im verwitterten Mauerwerk prangten große Risse und das ehemalige Tor war mit Bäumen und Ranken überwuchert. Sogar von ihrem Versteck aus konnten sie das leise Heulen des Nachtwindes hören, der unentwegt durch die Mauern der Ruine blies. Und da war noch etwas: seltsame Schnarrlaute, die sich in regelmäßigen Abständen in die Säuselgeräusche des Windes mischten. »Können wir uns denn sicher sein, dass Thraak hier wirklich haust?«, wisperte Kai. »Ich meine, wenn er wirklich so groß ist, müsste man ihn doch eigentlich sehen können, oder?«
»Aber Kai«, antwortete Fi fast belustigt. »Wir sind längst über seine Spuren gestolpert. Schau mal hinter dich.«
Irritiert wandte sich Kai wieder dem Weg zu, über den sie auf den Hügel gelangt waren - und ihm stockte der Atem. Die eigentümliche Bodensenke, die sie eben durchquert hatten, erwies sich im Mondlicht nicht als normale Vertiefung. Bei ihr handelte es sich um eine gewaltige Fußspur!
»Bei allen Moorgeistern!«, wisperte Kai entsetzt. »Ich wusste nicht, dass dieser Thraak so groß ist.«
In diesem Moment war über der Ruine eine flatternde Bewegung auszumachen, die sich zügig dem Waldrand näherte. Es war Olitrax. Zielstrebig flog er auf ihr Versteck zu, kaum dass Kai ihn in Gedanken herbeigerufen hatte. Seine Schuppen glänzten im Mondlicht wie rotes Kupfer, und einen Moment lang machte sich Kai Sorgen, dass der kleine Drache auch von dem Riesen gesehen werden konnte. Augenblicke später hatte Olitrax sie erreicht und ließ sich auf einigen dünnen Zweigen nieder, die unter seinem Gewicht knackten.
»Leise, Olitrax!«, ermahnte ihn Kai. Der kleine Drache schnaubte aufgeregt und spie ihm zur Begrüßung einen seiner Rauchkringel ins Gesicht.
»Thraak schläft«, machte Amabilia auf sich aufmerksam. Sie erhob sich auf Olitrax' Rücken und deutete mit ihrem winzigen Zauberstab in Richtung Ruine. »Wir haben ihn durch das offene Dach des alten Rittersaals entdeckt. Er schnarcht so laut wie ein Mühlwerk. Und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie groß er ist. Wie ein Berg.« »Das ist die Gelegenheit!«, flüsterte Fi. »Habt Ihr auch Magister Eulertin gefunden?« »Nein.« Die Stimme der Däumlingshexe zitterte. »Wir sind wirklich sehr dicht über die Ruine hinweggeflogen. Da drinnen liegt alles Mögliche. Knochen. Felle ... aber kein ...« Amabilia brach plötzlich in leises Schluchzen aus und konnte nur mühsam weitersprechen. »Ich meine ... wir müssen damit rechnen, dass Thraak ihn bereits gefressen hat.«
»Amabilia«, flüsterte Kai erschrocken. Mitfühlend streckte er seine Hand nach ihr aus. »Magister Eulertin ist winzig klein. Wo immer er ist, selbst für dich sollte es unmöglich sein, ihn bei dieser Dunkelheit und aus einer solchen Höhe zu erkennen.« »Das ist richtig«, pflichtete ihm Fi bei. »Wenn Magister Eulertin in der Ruine ist, werden wir ihn finden, bevor der Riese auch nur merkt, dass wir da waren.« Amabilia schniefte und gewann langsam ihre Fassung zurück. »Sicher habt ihr recht, Kinder. Mich so gehen zu lassen, ist unverzeihlich.«
Mit leisem Rauschen glitt ein Schatten über die Baumwipfel hinweg. Dystariel setzte mit ausgebreiteten Schwingen auf dem Waldboden auf und bohrte ihre Krallen knirschend in das Wurzelwerk. Ihr pfeilförmiger Schwanz peitschte wütend hin und her. »Verflucht, warum seid ihr nicht beim vereinbarten Treffpunkt geblieben?«, grollte sie mit gefletschten Reißzähnen. »Wir bekommen unerwarteten Besuch. Magier!« »Was?!« Kai sah sich entgeistert zu Fi und Amabilia um. Endlich begriff er. »Das kann nur eines bedeuten, die Übergabe ist noch gar nicht erfolgt!«
Vom Himmel her zerriss nun ein lauter Raubvogelschrei die Nacht, und über dem Waldrand jenseits der Ruine schälten sich drei Riesenhabichte aus dem Dunkeln. Auf den Rücken
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