Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
»Wird zwar 'ne ziemlich unsanfte Landung, aber vielleicht schaffe ich es runter bis zu diesem Brunnenhaus.« »Ich kann einen Weiteren von uns tragen«, krächzte der Secretarius. »Ich könnte mich, äh, an einem Spinnenfaden abseilen. Aber unten angelangt, brauchte ich etwas Hilfe.« Flehend sah er Kai an.
»Gut, so machen wir es«, entschied Kai. »Fi, Koggs, Bilger, rüber zu Dystariel mit euch. Macht euch bereit. Ich werde zusammen mit Stenzel nachkommen.«
»Nix, da. Mit dem Krabbler lasse ich dich nicht allein!«, röhrte die Gargyle. »Schon vergessen, dass uns am Fuß des Turms ein ganzer Trupp Soldaten erwartet?«, meinte Kai aufgebracht. »Von dir abgesehen, werde nur ich mit ihnen fertig. Wir machen es so und nicht anders!«
Er hob seinen Zauberstab, besann sich auf die Schutzrunen, die er außen am Bauwerk gesehen hatte, und flehte alle Schicksalsmächte an, dass der Turm nicht auch gegen einen Ausbruch gesichert war.
Das mondsilberne Fenstergitter glühte an den Verankerungen auf. Die Glasscheiben knackten in der Hitze und prasselten kurz darauf als Scherbenregen nieder. Dystariel ergriff das heiße Mondsilbergitter und riss es aus der Fensterfront. Feuchte Luft schlug ihnen entgegen.
»Wehe, du bringst unsere Flamme nicht sicher nach unten«, schnaubte Dystariel den Secretarius an, während hinter ihnen im Treppenhaus Stiefelschritte zu hören waren. »Wenn du versagst, reiße ich dir jedes deiner acht Beine einzeln aus. Hast du mich verstanden?«
»Ihr könnt Euch auf mich verlassen«, versprach Stenzel erschrocken.
»Pass auf dich auf, Kai!« Fi berührte ihn besorgt an der Wange und warf auch Stenzel einen unglücklichen Blick zu. »Wir treffen uns beim Brunnen.«
Dystariel packte Koggs, Bilger und Fi und warf sich mit ihnen aus dem Fenster. Kai und Stenzel sahen dabei zu, wie die Gargyle im Sturz ihre Flügel ausbreitete und dann unter ihnen im Nebel verschwand. Wie Fi gesagt hatte, waren zu Füßen des Turms die trüben Lichter unzähliger Fackeln zu erkennen. Die ganze Burg schien auf den Beinen zu sein und noch immer gellte von irgendwoher Alarm.
»Los, Stenzel.«
Der Secretarius nickte beklommen, richtete sein Hinterteil auf und schoss einen klebrigen Spinnenfaden an die Raumdecke. Immer noch sein Buch an den Leib pressend, griff er nach Kai, der sich, so gut es ging, an dem Spinnenmann festklammerte. Kurz darauf hingen sie unterhalb der Fensteröffnung und Stenzel seilte sich mit Kai zusammen an der Außenfront des Turms ab.
Kai hoffte nur, dass sie der Nebel so lange wie möglich davor schützte, entdeckt zu werden. Vor allem durfte jetzt keine Gargyle auftauchen. Während es beständig weiter turm-abwärts ging, wurden auch die Rufe der Soldaten unter ihnen lauter.
»Stenzel, wir dürfen nicht vor dem Turmeingang herunterkommen.«
»Ich weiß, junger Feuermagus. Ich werde uns weiter auf die rückwärtige Seite des Turms bringen.«
Die Spinnenbeine des Secretarius kratzten am Mauerwerk entlang, als er den Turm umrundete. Den Fehler, den Stenzel dabei beging, bemerkte Kai erst, als es zu spät war. Keine vier Schritte über dem Erdboden verdunkelte er mit seinem Spinnenleib ausgerechnet eine der leuchtenden Mondsilberscheiben. Sofort wurden Alarmrufe laut. Ein mehrfaches Schnappen drang aus dem Dunst. Rund um sie herum schlugen Armbrustbolzen in der Turmwand ein. Es folgte ein harter Aufprall und Kai krachte auf das feuchte Pflaster. Ein halbes Dutzend Soldaten rannten im Nebel auf sie zu. Kai hob seinen Zauberstab und ließ vor ihnen eine große Feuerwand entstehen. Zur Sicherheit schickte er zwei wirbelnde Glutbälle hinterher, die laut explodierten. »Kommt, Stenzel, schnell weg von hier«, rief er und drehte sich zu dem Secretarius um, der reglos an seinem glitzernden Faden hing. Jetzt erkannte Kai, dass drei Bolzen tief im entstellten Körper des Mannes steckten. Der Alte hob röchelnd seine Arme und drückte Kai das Buch in die Hand.
»Die Chronik des Sonnenrats. Bitte nehmt sie.«
»Beim Unendlichen Licht, Stenzel. Ich lass Euch hier nicht zurück.«
»Es ist gut so. So hatte meine elende Existenz am Ende doch noch einen Sinn.« Blutiger Schaum troff aus Stenzels Mund, sein Oberkörper krümmte sich und die Nickelbrille fiel zu Boden. »Es war mir eine Ehre ... Euch zu begegnen. Versprecht mir ... mein geliebtes Albion zu befreien. Versprecht es mir ...«
Stenzels Blick trübte sich und er sank zurück gegen die Turmwand.
In diesem Moment brachen die ersten Soldaten
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