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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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setzte sich ihnen im Schneidersitz gegenüber. Er hatte langes graues Haar und war einer der Barden, die auf der Suche nach Geschichten die Wüste bereisten. Seine Leier war olivgrün, und darin wohnte ein frecher Dschinn von derselben Farbe, der Kaya vom ersten Augenblick an auf die Nerven gegangen war. Urok selbst hingegen war ein angenehmer Zeitgenosse, der viel über die Wüste und ihre Legenden zu berichten wusste, und nicht nur einmal hatte er ihnen die Abende mit seinen Liedern versüßt.
    Sie aßen gemeinsam. Urok erzählte von seinen Erlebnissen im magischen Forst Arelor, der tief verborgen in den Karpaten liegen sollte, und später amüsierten sie sich über die Tänze der Schatzsucher, die eher einem Kampfritual der Trolle ähnelten. Anschließend schnappte Urok sich seine Leier und gab ein paar Geschichten zum Besten. Wie ein Schattenläufer bewegte er sich zwischen den Feuern hin und her und brachte seine Zuhörer immer wieder zum Lachen. Nando legte den Kopf in den Nacken und seufzte leise. Die Sterne waren längst über ihnen aufgegangen, und wieder einmal erschien es ihm, als wäre er schon seit Jahren in dieser Wüste unterwegs … oder als hätte er seit sehr langer Zeit danach gedürstet, ohne es selbst zu wissen. Sein Blick glitt über die Mauern und halb zerrissenen Kammern der Festung, die schon seit Jahrhunderten an diesem Ort stehen musste, und als hätte er seine Gedanken gelesen, ging Urok auf einmal neben ihm in die Knie.
    »Es ist ein besonderer Ort, an den wir geraten sind«, raunte er deutlich genug, damit jeder der Anwesenden ihn verstehen konnte. Allein der Klang seiner Stimme verriet, dass nun keine lustige Geschichte folgen würde, und Kaya duckte sich, als wie zur Untermalung des plötzlichen Stimmungswandels eine eisige Bö über den Platz strich. »Düstere Geheimnisse ranken sich um diese Mauern, sie handeln von Tränen, Blut und Tod. Aber gewiss wollt ihr sie nicht hören, deshalb … « Urok tat so, als wollte er die Leier aus der Hand legen. Sofort erklangen empörte Rufe, und ein diebisches Lächeln huschte über sein Gesicht. »Nun gut«, fuhr er fort. »Wie ich sehe, seid ihr wagemutig genug, um auch finstere Geschichten zu hören. So kommt näher, meine Freunde – nah genug, damit die Geister der Wüste uns nicht belauschen können. Denn das, was ich erzählen will, ist eine Geschichte unseres Volkes … und sie spielt vor langer Zeit.«
    Mit einer Handbewegung ließ er das grüne Feuer wachsen, bis es groß genug war, um alle Näherrückenden zu wärmen. Erwartung lag auf allen Gesichtern, als Urok die ersten Töne auf der Leier anschlug. Nur vereinzelt mischte er sie unter seine Worte, sie waren wie stechende Peitschenhiebe, die an den richtigen Stellen die Spannung erhöhten.
    »Seht hinaus von den Felsen, auf denen wir rasten«, begann er, und tatsächlich wandten die meisten seiner Zuhörer den Blick über die Dünen. Glutrot war die Sonne hinter ihnen versunken, noch immer verströmte der Sand eine betörende Wärme, aber die Nacht schickte ihre Kälte bereits über die weichen Hügel ihres Körpers. »Früher lag hier ein Meer. Sanft und stürmisch war seine See, rau und zärtlich wie die Ozeane der Menschen, und manchmal, wenn es über die Ufer trat und sich aufbäumte in turmhohen Wellen, konnte man Stimmen wie von Meerwesen hören, lockend und grausam zugleich.«
    Seine Stimme war rau und geheimnisvoll, und Nando meinte, das Rauschen von Wellen hören und den salzigen Wind riechen zu können.
    »Am Ufer des Meeres erhob sich eine Festung«, fuhr der Barde fort. »Geschliffen aus kostbarstem Glas und Stein, die Türme ragten so weit himmelwärts, dass es schien, als würden sie die Wolken erdolchen, und das Licht, das die Sonne des Tags über die Dächer warf, fing sich nachts in den Fenstern und ließ die Burg glimmen wie ein Kleinod in der Finsternis.« Urok strich über die Mauern, und Nando erschrak, als sie an zahlreichen Stellen zerrissen wie eine uralte Leinwand und flammende Hologramme aus ihnen hervorbrachen – starr wie aus Eis und doch so deutlich, dass es schien, als wären sie mehr als Illusionen eines Zaubers. Kaya richtete sich auf, und Nando fühlte ihre Anspannung. Uroks Worte hatten bisher immer außergewöhnlich lebendige Bilder in seinem Kopf entstehen lassen, aber dieses Mal war es anders. Er erinnerte sich daran, was Mochanon ihm zu Beginn der Reise gesagt hatte, und begriff den Sinn doch erst jetzt.
    Die Wüste birgt Orte voller Magie ,

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