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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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selbst zu sein, der aus einer Truhe in das goldene Licht eines zerstörten Raumes kletterte und geblendet die Hand vor Augen hob. Viel zu lange hatte er im Dunkeln ausharren müssen, und doch hatte die Blindheit ihn geschont. Er atmete nicht, denn er wusste, dass er sich dem Kern der Erinnerung näherte – jenem Kern, der ihn um den Verstand bringen würde, wenn er erst sehen konnte, was sich in diesem Raum verbarg. Mit aller Kraft ließ er die Kälte in sich aufbranden, er achtete nicht auf das quälende Ziehen im ganzen Körper, das ihn angesichts des Frosts durchpulste. Schneidend fraß er sich in die Hitze, und endlich glitten die Gefühle fort von ihm, wurden dumpf und erstarrten zu glitzerndem Eis. Und dann sah er, wo er sich befand. Er kannte diesen Ort. Er war Avartos, das Kind, und dort auf dem Boden, die Augen geschlossen, die Schwingen gebrochen, lag seine Mutter in ihrem eigenen Blut. Sie war tot. Nando hörte das Kind schreien, aber er empfand nicht dessen Verzweiflung, und als es die Hand seiner Mutter nahm, da schien es ihm kurz, als würde er selbst durch eine zerbrochene Scheibe ins Innere eines Autos greifen – als wäre es in Wahrheit seine eigene Mutter, deren Hand er hielt, während sie starb. Er wartete auf den Schmerz, aber er kam nicht. Stattdessen sah er sich von außen auf dem Platz der Burg stehen, umringt von flammenden Hologrammen. Er stand einfach da, so regungslos, als wären es nichts als Sonnenstrahlen, die seinen Körper trafen, und er sah das Entsetzen, das er hätte empfinden sollen, in Avartos’ Augen gespiegelt. Noch immer spürte er die Hand seiner Mutter in der seinen, und alles, was in ihm glühte, war die Kälte des Lichts.
    Er keuchte, plötzlich bekam er keine Luft mehr. Noch nie zuvor war er sich selbst so fremd gewesen und so … Ihm fehlte das Wort für das, was Avartos’ Blick in ihn sandte, durch alle Schleier aus Eis hindurch, aber sein Herz krampfte sich zusammen, so heftig, dass er auf die Knie fiel. Dumpf fühlte er seinen Pulsschlag durch die Erde gehen, und plötzlich sah er sich selbst in Flammen stehen, als wäre es nur eine Frage der Zeit, bis er in den Klauen der Kälte verbrennen würde.
    Die Hitze kam so unerwartet, dass Nando kurz schwarz vor Augen wurde. Dann spürte er Avartos’ Blick auf sich, glühend umfing ihn das Gold des Engels, und der Schmerz kehrte übermächtig zu ihm zurück. Er spürte Verzweiflung, Trauer, Leere, wie ein einziger Schwertstreich fluteten die geballten Empfindungen Nandos Brust und brannten die Kälte aus seinem Leib, und plötzlich war alles in ihm Gefühl. Mit letzter Kraft legte er den Kopf in den Nacken und schrie. Doch es war nicht nur sein eigener Schrei, der aus seiner Kehle brach – es war der Schrei seiner Mutter, der Schrei eines jungen Engels und der Schrei eines Kindes, das seine Eltern verloren hatte und nun allein war in endloser Finsternis, ganz gleich, wie gleißend das Licht um es herum strahlen mochte.
    Da zerbrach das Gold des Engels. Nando fiel auf die Knie, laut drang eine Erschütterung durch den Boden und brachte die Hologramme zum Erstarren. Hinter Avartos stand ein Engel, der mit mächtiger Geste Avartos’ Kehle umfasste und ihm die glühende Hand auf die Brust presste. Ein Stöhnen wich über dessen Lippen, als das Laskantin in ihn eindrang. Gleich darauf wich die Farbe aus den Bildern ringsum, und Avartos sackte in Hadros’ Armen zusammen.
    Leise überzogen sich die Erinnerungen mit Eis und zerbrachen. Nur undeutlich hörte Nando die Stimmen der Verwundeten und fühlte, dass Kaya ihm das Haar zurückstrich und Noemi neben ihm war. Schwarze Schlieren zogen an seinen Augen vorüber, aber er erkannte das Gesicht, das sich nun über ihn beugte, sofort. Es war das Antlitz eines Engels, der weit mehr gesehen hatte als die Lichter der Wüste.
    »Selten ist es vorgekommen, dass ein Kind der Schatten der Kraft der Engel getrotzt hat«, sagte Mochanon. »Sieh dich vor, Prinz der Hölle: Du könntest es weit bringen in der Welt des Lichts.«
    Ohne ein weiteres Wort legte er die Hand auf Nandos Brust. Schmerzhaft zog dessen Herz sich zusammen. Er brauchte einen Moment, bis er begriff, dass es aufgehört hatte zu schlagen.

32
    Avartos erwachte von stechenden Kopfschmerzen. Er lag allein in einer dunklen Kammer, aber durch die halb eingestürzte Decke fiel das Licht der Sterne, und er brauchte nur den Wind zu hören, der suchend über die vertrocknete Erde strich, um zu wissen, wo er sich befand. Sofort

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