Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
der Welt reisen, um seiner Königin die Herzen ihrer Feinde zu bringen, und immer kam er mit mehr zurück als dem, was sie gefordert hatte. Nando fühlte die Flammen des Ersten Tores, als der Krieger des Lichts mit dem Heer der Engel in die Hölle hinabritt, er sah ihn in der Schlacht von Bhrakanthos gegen die Schergen des Teufels kämpfen, und er meinte, Bhalvris selbst in seiner Hand zu fühlen, als Hadros das Schwert ergriff und es tief in Luzifers Brust stieß. Schwarz strömte die Macht des Teufels über die Klinge mit dem Drachenkopf.
Sie hüllte Hadros ein und kurz schien es, als würden sich Klauen daraus bilden, um den Engel zu zerreißen. Doch dann brach Licht durch die Finsternis. Hadros zerfetzte die Schatten, die nach ihm griffen, und bannte die Kraft des Teufels in den Kreisen der Hölle, um ihm ein Entkommen unmöglich zu machen.
Nando sah noch, wie der Engel das Schwert in die Luft riss, er sah Hadros’ Zeichen darauf brennen, einen fliegenden Falken, und meinte, dessen Schrei aus seiner eigenen Kehle dringen zu fühlen, als er die Finsternis des Pandämoniums zerriss.
Gleißend war das Licht, das nun sämtliche Bilder durchströmte und sie so hell machte, dass Nando ihre Motive kaum noch erkennen konnte. Ihn schwindelte, sodass er die weiteren Episoden in Hadros’ Heldenleben, jene, die ihn zu dem gefährlichsten Dämonenjäger machten, den die Schattenwelt je gesehen hatte, nur erahnen konnte. Ganz am Schluss meinte er, den Hexenmeister Askramar zu erkennen, zu dem Hadros sich gemeinsam mit den besten Kriegern des Lichts durchkämpfte, um ihn zu vernichten und damit zahlreiche Engel vor dem sicheren Fall in die Dunkelheit zu bewahren. Dann wurde das Licht zu hell. Es brannte sich in Nandos Augen, doch erst als Avartos’ Gestalt durch den Glanz brach, konnte er den Blick abwenden.
Der Engel schwebte inmitten der tosenden Bilder, sein Haar fiel ihm in die Stirn, und für einen Moment meinte Nando, ihn in der Kraft der Helligkeit verglühen zu sehen. Doch da ballte Avartos die Fäuste. Er riss den Kopf in den Nacken und dann, mit einem donnernden Schrei, brachen die Bilder um ihn herum zusammen. Der Engel fiel auf die Knie, die messerscharfen Scherben umtosten ihn wie Schneeflocken, ohne ihn zu verwunden. Und Nando erinnerte sich bei diesem Anblick an jenen Traum, der ihm die Pforten der Schattenwelt geöffnet hatte, und an die Gestalt in der Gasse, die er selbst gewesen war. Er war sich darüber im Klaren, dass es ein schwerer Schritt für Avartos gewesen war, ihm in die Schatten zu folgen. Aber erst jetzt, da er seinen Freund in stummer Verzweiflung zwischen den zerbrechenden Bildern knien sah, überkam ihn mit aller Stärke der Gedanke, dass ihre Reise auch für den Engel weit mehr bedeuten mochte als die Vernichtung des Teufels.
Erst als eine der Scherben ihn beinahe am Arm traf, schreckte er aus seinen Gedanken auf. Eilig duckte er sich tiefer hinter den Bücherstapel, zog Kaya an sich – und sah Noemi zu spät. Sie stand wenige Schritte von ihm entfernt, die Augen weit aufgerissen, als würde sich noch immer das Schauspiel aus goldenem Licht vor ihr entspinnen. Eine tiefe Verzauberung adelte ihr Gesicht, und erst als Nando ihr zurief, dass sie sich ducken sollte, zerriss ihre Trance. Sie wich der Scherbe aus, die direkt auf sie zuschoss, aber sie war nicht schnell genug. Zischend drang der Splitter in ihre Schulter ein und brannte sich in ihr Fleisch.
Nando hörte den Fluch, den Avartos ausstieß, und sah, wie die Scherben auf den Befehl des Engels hin in der Luft verharrten. Im nächsten Moment war er bei ihnen und ging neben Noemi in die Knie. Sein Haar fiel ihm ins Gesicht, aber Nando konnte die Sorge erkennen, die seine Wut durchbrach. Es war ein mächtiger Zauber gewesen, der sie verwundet hatte, und Avartos schloss kurz die Augen, um sie zu heilen. Doch kaum dass die Blässe aus ihren Wangen wich, kehrte die Maske aus Eis auf seine Züge zurück.
»Wann wirst du anfangen, das Licht zu fürchten, Tochter der Schatten?«, fragte der Engel leise.
Abwehr stand in Noemis Blick, aber sie lächelte ein wenig, als sie antwortete: »Wenn es mir bewiesen hat, dass es das wert ist.«
Avartos’ Stimme war schneidend kalt. »Ich gab euch nicht umsonst die Anweisung, euch nicht einzumischen. Diese Magie … «
»… ist gefährlich, ja, das haben wir gesehen.« Noemi schob seine Hand fort. »Aber wir sind keine Kinder mehr. Und du gehst diesen Weg nicht allein.«
Kurz nur erwiderte er
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