Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
Jungen noch auf seinem Gesicht, als sein Herz längst aufgehört hatte zu schlagen. Regungslos stand der Sohn des Teufels da, das Schwert Luzifers in der Hand wie ein lästiges Artefakt, das es herumzuschleppen galt, und wandte sich auch dann nicht ab, als seine Gefährten ihn erreichten. Nicht alle hatten das Zusammentreffen mit den Mächten der Hölle überlebt. Zahlreiche Mönche waren gefallen, und selbst der Engelskrieger, dem Pherodos immer noch am liebsten den Kopf in den Nacken drehen würde für seine Arroganz, hatte einige Wunden davongetragen. Doch das hinderte ihn nicht daran, den Jungen am Arm zu packen und kräftig zu schütteln.
»Du hast sie bezwungen«, rief er in überraschender Leidenschaft, zog aber dann rasch die Hände zurück und zwang sich zur Beherrschung. »Trotz aller Widrigkeiten hast du Kymbra besiegt und Pherodos zu Boden geschleudert wie einen zweitklassigen Dämon!«
Pherodos wollte die Fäuste ballen und dem Engel das unerträgliche Grinsen aus dem Gesicht schlagen, als er sich bewusst wurde, dass er keine Kontrolle mehr über seinen Körper hatte. Doch sein Zorn war noch immer da, und er zog sich als schwarze Welle in ihm zusammen. Verflucht, wenn er gestorben war – wieso lag er dann starr wie ein Felsbrocken auf dem Schlachtfeld herum? War das die Strafe für seine Taten, dass er sich die Reden seiner Feinde über sein Dahinscheiden anhören musste? Gerade wollte er einen erneuten Versuch starten, auf die Beine zu kommen, als er den Blick des Jungen bemerkte. Er schaute ihn nicht mehr an, er betrachtete den blutbesudelten Boden, als könnte er darin von Dingen lesen, die den anderen verborgen blieben, und plötzlich fühlte Pherodos wieder, was er inmitten des Lichts gespürt hatte, in das der Junge ihn gehüllt hatte. Schmerzhaft war es gewesen, unerträglich beinahe – und doch so viel lebendiger als alles, was er in den vergangenen Jahrhunderten in all seinen Exzessen erfahren hatte. Es war das Licht der Engel gewesen, das ihn getötet hatte, doch in diesem Gold war noch etwas anderes gewesen, etwas Strahlenderes, das ihn tief im Inneren berührt hatte, so tief, dass er nicht einmal gewusst hatte, über Abgründe wie diesen zu verfügen. Deutlich sah er sein Kind vor sich, erschlagen von den Engeln. Blau waren seine Augen gewesen, blau wie die seiner Mutter, und es hatte Pherodos angesehen mit diesem Licht in seinem Blick – hatte ihn angesehen bis zuletzt. Niemals wieder hatte Pherodos Ruhe gefunden, seit dieses Licht erloschen war. In allen Schatten der Welt hatte er nach einem Heilmittel gesucht, hatte begonnen jeden Schein zu hassen, der ihn daran erinnerte, was er verloren hatte, und nun fand er das Licht, das er damals nicht hatte beschützen können, in sich selbst wieder, tief in sich verborgen – aufgespürt vom Sohn des Teufels.
Und da war mehr, viel mehr noch, das er vergessen hatte. Er sah das fallende Schwingenpaar vor seinem inneren Auge, hörte ein Kinderlachen, hell und klar, und spürte sie wieder – die Demut, die ihn inmitten dieses Scheins überkommen hatte und die Sehnsucht nach der ganzen Wahrheit hinter diesen Bildern. Ob er sie erfahren würde, wenn er dem Flüstern folgte, das nun immer deutlicher an sein Ohr drang? Er fühlte eine samtene Wärme auf seinem Gesicht und irgendetwas in ihm strich über seinen Zorn und besänftigte ihn. Wie in einem seltsamen Traum sah er zu, wie sein Körper sich langsam in Nebel verwandelte, und er empfand nicht mehr bei diesem Anblick als tiefe Erleichterung. Das Flüstern wurde lauter, es rief nun nach ihm, und er wusste, dass er sich nur aufzurichten brauchte, um diesen Ort zu verlassen und woandershin zu kommen, vielleicht in ein Licht, das er vor langer Zeit verloren hatte und an das er nun erinnert worden war.
»Kymbra ist verschwunden«, sagte da das Mädchen mit den schwarzen Haaren und durchdrang seine Gedanken mit demselben Misstrauen, das auch in ihren Augen lag. Pherodos hatte sie von Anfang an gemocht. Sie trug genügend Schattenkraft in sich, um den lächerlichen Engel neben ihr zu zerreißen … Aber wenn er sich diesen so ansah, brauchte sie vermutlich nicht einmal mehr Magie dazu. Ein Lächeln würde ausreichen. Pherodos hätte geseufzt, wenn er gekonnt hätte, aber ihre Worte wurden von dem blau glühenden Hauch Lügen gestraft, der plötzlich über die Leiber der Toten strich.
»Nein«, sagte der Engel da. »Die Schwinge der Ewigkeit ist nicht so leicht zu vernichten. Fühlt ihr nicht die
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