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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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hatte er schon auf dem Weg hier herauf gemerkt. Aber so stark war der Wandel auch wieder nicht. Die Dummheit stank noch genauso wie vor Jahrhunderten. Er fixierte Ligur mit seinem Blick, der ausgerechnet in diesem Moment seine Zunge in das Glas rollen ließ und schmatzend anfing zu saufen. Manche Dinge änderten sich eben nie, und die schlechten gehörten meistens dazu.
    »Verdammt, wieso sollen wir hier warten?«, fragte Ligur, nachdem er sich die Flüssigkeit mitsamt Glas einverleibt hatte. Die Splitter ließen seine Lippen bluten, es schien, als würde er diesen kleinen Nachtisch genießen. »Seit wir die Kreise verlassen haben, stolpern wir dem dämlichen Krähengeschrei hinterher, ohne zu wissen, wohin es uns führt.«
    Pherodos ritzte mit seinem Daumennagel die Tischplatte auf wie weiches Fleisch. »Wissen wir doch«, entgegnete er. »Hierher.«
    Er sagte das nur, um der Klaue zu widersprechen und weil er wusste, dass Ligur sich darüber ärgerte. Insgeheim gab er ihm recht – zum zweiten Mal in dieser verfluchten Nacht. Kaum dass sie das Pandämonium verlassen hatten, war Kymbra mitsamt ihrer Krähe verschwunden. Aber es war, als hätte der Ruf des Tieres sich in ihren Hirnen eingenistet, um sich schrill und durchdringend direkt in ihre Gedanken zu ergießen.
    Lautlos , hatte Kymbra geflüstert, als sie sich auf ihrem Tiger ein letztes Mal zu ihm umgedreht hatte, und erst als ihr Körper in dem halb durchsichtigen Kleid außer Sichtweite war, hatte sich sein Widerwille geregt. Lautlos sollten sie durch die Schattenwelt reisen, sie, die mächtigsten Krieger der Nacht! Es fehlte nur noch, dass sie sich in Ungeziefer verwandeln und unter Steinen herumkriechen sollten, um nicht aufzufallen. Mürrisch wischte er sich die Sägespäne von den Knien. Es stank ihm ganz gewaltig, in einer modrigen Menschenabsteige herumzusitzen, weil eine Frau es ihm befahl, und viel schlimmer noch als das war der Umstand, dass er ihr nicht widersprechen konnte. Sie hatte recht, es war klüger, keine Konfrontation mit den Sklaven des Lichts zu suchen, solange der Junge nicht gefangen war. Womöglich geriet er sonst zwischen die Fronten, wurde verbrannt oder gefressen oder beides, und dann wäre die ganze Mühe umsonst gewesen, und sie mussten eine unbestimmte Zeit warten, bis ihr Fürst ein anderes seiner Kinder erwecken würde. Pherodos ließ seine Gelenke knacken. Das kam nicht infrage. Dennoch hatte er sich seinen Ausflug in die Brak’ Az’ghur anders vorgestellt. Ganz anders.
    Er schaute durch den Rauch, betrachtete die schwitzigen Gesichter der Menschen und ließ die Feuer noch einmal in seinen Gedanken auflodern. Unheilvoll brandeten die Schreie jener in ihm auf, die er vor langer Zeit mit bloßen Händen gegen die Mauern Jerichos geschleudert hatte, er hörte ihre Knochen brechen und schmeckte wieder ihr Blut auf seinen Lippen, und gerade als der Zorn mit bitterer Süße auf seine Zunge kroch, schickte er seine Glut in den Raum. Lautlos , dachte er und lächelte dunkel. Niemand konnte behaupten, dass diese Hitze hörbar war. Raar rührte sich nicht, doch Ligur fuhr zusammen, als ihn die erste Wärmewelle traf. Für einen Moment zog etwas wie Schreck über sein Gesicht, als wäre er ein Kind, das kurz davorstand, einer großen Dummheit beizuwohnen und zwischen Neugier und schlechtem Gewissen zerrieben wurde. Doch dann grinste er boshaft, als Pherodos’ Glut die Menschen einhüllte.
    Zuerst war es nicht mehr als ein Stachel, der sich in ihr Fleisch senkte. Ihre Stimmen wurden dunkler, ihre Worte ungeduldiger. Immer öfter schlugen sie sich gegenseitig auf die Schultern, scheinbar im Scherz, doch bald schon landete der erste Krug durch eine Rempelei am Boden. Pherodos spürte, wie sein Zorn in die Herzen der Menschen drang, fühlte die Gier und Gewalt, die sich in ihren Blicken sammelten, und er sah die Frauen aus der Absteige fliehen, instinktiv, als hätten sie die Veränderung der Luft bemerkt, die sich nun wie eine Fessel um ihre Leiber schloss. Leicht bewegte Pherodos die Klauen und im selben Moment schlug der erste Mensch zu. Krachend landete seine Faust im Gesicht seines Gegenübers, dessen Körper einen Dritten traf, und kaum dass dieser ins Taumeln geriet, entfachte sich die Schlägerei. Pherodos steckte in jeder Faust, in jedem lüsternen Blick, und er fühlte das menschliche Fleisch, das er beherrschte. Dieses Publikum war dankbar für seine Vorstellung, seine Saat fiel auf so fruchtbaren Boden, dass ein Tropfen

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